Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
lernte er in der Wüste zu überleben, indem er seinen Körper und seinen Geist an Entsagung gewöhnte und dort ausreichend Wasser und Nahrung fand, wo niemand sonst es vermutete. So gelangte er letzten Endes zur westlichen Grenze der Wüste zurück, bis in dieses Gebirge, wo er mit einigen weiteren seines Volkes, die sich ebenfalls von den anderen abgewandt und von seinem legendären Ruf gehört hatten, einen neuen Stamm gründete. Man nannte Sakhan fortan
Al-Talúr
, den
Bezähmer der Wüste
, und somit war auch der Name unseres Volkes geboren und überdauert bis zum heutigen Tag.
Gleiches gilt für manche Traditionen, die noch heute an Sakhan und die ersten unserer Art erinnern. So gilt derjenige erst als Erwachsener unseres Stammes, dem es gelingt, einen Mond lang ohne Wasser und andere Hilfsmittel in der Wüste zu überleben. Erst nach Ablauf des dreißigsten Tages ist es ihm erlaubt, in unsere Höhlen zurückzukehren, um sich dann vom Muareb mit dem Brandmal des Kriegers kennzeichnen zu lassen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass dieser Erfolg vielen versagt bleibt und wir einige unserer Jünglinge schon an Warge, Geier, Skorpione oder den ewigen Sand verloren haben.“
„So eine Herausforderung klingt für mich trotzdem höchst interessant“, sagte Neimo spontan. „Dreißig Tage müssten doch zu schaffen sein!“
„Heb dir den Versuch aber bitte schön für deinen nächsten Ausflug nach Orgard auf. Zuviel Vergnügen auf einmal ist auch nicht gut“, meinte Sigurd.
„Vielleicht kommst du ja noch auf die Idee, einen Mucklin-Wüstenstamm zu gründen, aber lass mich da bitte aus dem Spiel, Neimo!“, beschied Fredi.
„Ich meinte ja nur ...“
„Übrigens war diese Gegend, soweit wir zurückdenken können, nicht immer derart lebensfeindlich“, setzte der Muareb die Schilderungen über sein Volk fort. „Sehr viel früher gab es gar nicht weit von hier so manche Oasen und sogar Seen, die allen Wesen in der Umgebung ihr kostbares Nass schenkten. Mit der Zeit jedoch sind all diese Gewässer verschwunden, zu Sand vertrocknet oder verdorben. Im Nordosten von hier gibt es einen Salzsee, der vor langer Zeit einmal gutes, trinkbares Wasser trug und der davon berichten könnte. Die Istari, die unter jener Austrocknung vielleicht am meisten zu leiden hatten, beschuldigten die Nuk-Ruya, die unterirdischen Wasserläufe verseucht zu haben, um ihren Erzfeinden zu schaden. Vielleicht ist etwas Wahres an der Geschichte, denn die Nuk-Ruya haben viele schlimme Dinge getan. Nicht wenige kluge Köpfe geben allerdings gerade den Istari eine Hauptschuld an dieser Entwicklung, denn sie waren es, die mit den spärlichen Wasservorräten auf dem südlichen Kontinent von Anfang an Raubbau betrieben, indem sie ihre hängenden Gärten und andere unnütze Dinge damit bewässerten und damit den natürlichen Kreislauf durcheinander brachten.“
„Die Wüste sieht so ruhig und unbewegt aus“, sinnierte Alva, während sie mit einem verklärten Blick in die helle Sandlandschaft hinausblinzelte. „Man kann gar nicht glauben, dass so etwas Schönes wie sie den Lebewesen soviel Schaden zufügen kann.“
Stildor nickte. „Ruhig und unbewegt ist eine gute Umschreibung. Und so wie die Wüste ist auch das Wesen von uns Talúregs. Jeder Morgen ist für uns wie ein neues Blatt Pergament, auf das der Tag etwas schreibt, ebenso wie der Sand mit dem Aufsteigen der Sonne bereit ist für frische Spuren, die man ihm aufdrückt und die er mit Hilfe des Windes in der kommenden Nacht aufs Neue bedecken wird.“
„Habt Ihr eigentlich keine Angst vor irgendetwas? Ich meine, wenn Ihr dem Tod so gleichgültig gegenüber steht, dass Ihr Euch selbst im Sand aussetzt ...“, wollte Hermeline wissen, der das Leben der Talúregs mittlerweile ziemlich unmucklinmäßig vorkam.
„Es ist nicht so, dass wir keine Angst hätten, sondern ganz im Gegenteil vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht davor fürchte, dass irgendetwas Schlimmes geschieht. Furcht ist etwasGutes, denn sie lehrt einen Vorsicht, und nur die Toten können es sich erlauben, keine Furcht mehr zu empfinden. Und dem Tod gebührt der größte Respekt von allen Dingen, denn er behandelt jeden gleich, er vergisst niemanden und verschont niemanden und kennt auch keine Würde. Andererseits treibt er einen auch zu höchster Anstrengung und Leistung an. Da wir zum Beispiel wissen, dass mangelnde Vorsicht oder auch bloß Stillstand und Müßiggang uns den Tod bringen können, fürchten wir ein solches
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