Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
gerettet hatte, als er in den Marschen in derGrube des Sar’Marlak gebaumelt hatte und kurz davor gewesen war, von dem Monstrum verschlungen zu werden. Damals war er zugegeben ziemlich hilflos gewesen. Und seine Ehre als Nordmann gebot ihm, die gute Tat eines anderen ebenso zu vergelten, denn Vertrauen und Schuld waren ganz zweifellos zwei der wichtigsten Maßregeln, wenn man als Barbar im eisigen Norden überleben wollte. Seine Ehre als
Barbar
stand somit in Widerstreit mit seiner Ehre als
Attentäter
.
Ähnlich schwer wog jedoch noch etwas anderes, nämlich ein tief reichender Sinneswandel, eine Leichtigkeit, die sich in ihm breit gemacht hatte, seitdem er seinen Rivalen Kran erschlagen hatte. Kran war bekanntlich schuld daran gewesen, dass sein Heimatdorf verheert und seine Eltern von den Angehörigen eines feindlichen Barbarenstammes bestialisch niedergemäht worden waren. Seither war er auf der Flucht gewesen – rastlos, heimatlos, entwurzelt und getrieben von Emotionen wie Wut, Stolz und Pflichtgefühl, die in Wahrheit nichts anderes als Phrasen und Masken waren, hinter denen sich eine gähnende Leere verbarg. Seit dem Zweikampf am Orkland-Pass hatte sich allerdings etwas verändert in ihm, der Verräter und Mörder war zur Rechenschaft gezogen und seinem Durst nach Rache und Vergeltung war genüge getan worden. Nichts, was ihm nun noch bevorstand, würde ihm das wieder nehmen können.
Und schließlich beschäftigte ihn noch ein drittes: die Gemeinschaft, in die er sich mit hintergründigen, höchst unehrenhaften Absichten hineingeschmuggelt hatte, war ihm so vertraut geworden, dass sie ihm mittlerweile wie seine Familie erschien. Und wenn man bedachte, dass Lug, sein Heimatdorf, schon vor so einigen Jahren ein Raub der Flammen geworden war und dass er in der Folgezeit nicht einen einzigen Menschen seinen Freund genannt hatte, dann war das schon ein verdammt großer Fortschritt.
Cord steckte sein Schwert, das er in der Hand gewogen hatte, in die Scheide zurück, und zwar mit einer flüssigen Bewegung, die er schon so häufig durchgeführt hatte, dass sie keines Nachdenkens mehr bedurfte.
Ich muss aufpassen, dass ich auf meine alten Tage nicht noch sentimental werde.
Davon abgesehen war er sich ziemlich sicher, dass er seine Entscheidung gerade gefällt hatte. Und er fühlte sich gut dabei, denn schließlich war das mit der Ehre für einen wie ihn eine ziemlich ernste Sache.
Der Himmel hatte nun, da es irgendwo zwischen der Nacht und der Morgendämmerung war, das kühle Blau von Tusche angenommen, und es war ganz still. Zumindest bis sich unverhofft eine hell klingende Stimme vom Lager der Schlafenden erhob.
„Ein Mucklinkönigreich für eine gute Federkernmatratze und ein weiches Daunenkissen!“, seufzte Neimo, der sich reckend und streckend erhob.
„Überleg dir das das nächste Mal besser,
bevor
du einen deiner Streifzüge in die Wildnis unternimmst, du Witzbold“, erwiderte Hermeline, die sich sofort darauf ebenfalls aus ihrer Decke schälte und noch ziemlich schlaftrunken aussah.
Hieß es nicht landläufig, dass Mucklins ausgesuchte Langschläfer waren? Was Cord anging, so konnte er das im Großen und Ganzen bestätigen. Allerdings war ihm auch nicht verborgen geblieben, dass sich in dem kleinen Neimoklas etwas verändert hatte, seitdem er am Lor Brikai diese Engelssteine genommen und dem Basilisken damit eins übergebraten hatte. Im Übrigen war allen noch immer schleierhaft, weshalb die geheimnisvollen Artefakte ihre Zauberkräfte ausgerechnet in seiner Hand entfacht hatten und nicht in der von Faramon. Der Sohn Thingors hatte anschließend darauf bestanden, dass der Mucklin die Steine bei sich behielt, sie bewahren und behüten sollte, bis sie ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden konnten. Schließlich hatte er sich als ihrer würdig erwiesen, wie der Elb sich gewohnt umständlich ausdrückte.
Derartiger Zauberkram und das Gerede über leblose Gegenstände, die sich ihre Hüter und Besitzer angeblich willentlich auswählten, gingen über den Horizont eines einfachen Barbaren, der schlicht und ergreifend versuchte, sich mit seinem Breitschwert durch die Gefahren dieser Welt zu pflügen, zugegebenermaßen hinaus, doch eines hatte Cord erkannt, nämlich dass die Verantwortung, der Hüter dieser Steine zu sein, ganz schön an Neimo nagte. Es war offenbar eine Sache, sie als Diebesgut zeitweilig in seiner Tasche zu verwahren, und eine völlig andere, sie völlig rechtmäßig
Weitere Kostenlose Bücher