Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
innezuhalten, flohen sie durch all die langen Korridore und Säle, die vermeintlich nach draußen führten und von deren Decken und Wänden mit zunehmender Heftigkeit plumpe Gesteinsbrocken und ganze oder zerbrochene Dekors hagelten. Dabei rutschten sie auf dem staubigen Marmorboden mehr, als dass sie zu rennen in der Lage gewesen wären, und mehr als einmal stürzten sie hin und halfen sich gegenseitig wieder auf.
Schließlich, als die ersten Flügel des Palastbaus gänzlich in sich zusammenfielen, stürzten sie gerade noch rechtzeitig zwischen berstenden Säulen und wie umstürzende Berge auf den Boden klatschenden Mauern und Trümmerteilen hindurch ins Freie. Unzählige Sterne empfinden sie und glitzerten auf dem dunklen Himmelszelt wie feine Lichtpunkte in einem klaren Kristall.
„Man sollte Euch Mucklins nach Strich und Faden das Fell gerben!“, blaffte Piruk, nachdem sich die sieben endlich in Sicherheit wähnten. „Hab ich Euch nicht ausdrücklich vor dieser verfluchten Istari-Stadt gewarnt? Wir sollten Euch von nun an an die Kette legen und nicht mehr aus den Augen lassen!“
„Ich fürchte, gegen solche Landplagen wie Neimo und Fredi können selbst Ketten nichts ausrichten“, meinte Sigurd lapidar. Als einziger von allen war ihm bereits wieder zu einem Grinsen zumute.
„Gehen wir zu Alva, Pandialo und Lotan zurück. Ich bin sicher, die beiden wissen selbst, wie knapp sie dem Tod von der Schippe gesprungen sind“, sagte Faramon.
Dann nahmen sie im Schein der Sterne die nächtliche Wanderung zu ihrem Rastplatz auf. „Wenn Faramon Euch mit seinen scharfen Sinnen nicht schreien gehört hätte, dann hättet Ihr wirklich ein böses Ende genommen“, sagte Cord zu Neimo und Fredi, der mit ihnen ganz hinten ging. „Andererseits muss ich zugeben, dass mir Euer Mut, Euch mit solch einem bösen Zauberer anzulegen, imponiert. Alle Achtung!“ Der Barbar setzte ein ehrlich gemeintes, anerkennendes Grinsen auf.
„Der schöne Schatz ...“, war Fredis Kommentar zu der Sache. Noch immer war seine Stirn fiebrig vom puren Denken an all das Gold, den Schmuck und die Juwelen, die sie notgedrungen zurückgelassen hatten, und immer wieder schweiften seine Blicke versonnen und sehnend nach hinten, in diejenige Richtung, in der die Kammer mit dem Istari-Schatz mit dem (höchstwahrscheinlich) mausetoten Arcamantor nun unter zentnerschweren Trümmern verschüttet lag. „Wir hatten alles so schön im Griff und hätten nur noch die Abtretungsurkunde unterzeichnen müssen – aber nein, da muss ja Hermeline auftauchen, und alles ist wieder einmal im Eimer!“
„WIE BITTE?“
Erschrocken blickte der rotblonde Mucklin mit den Sommersprossen seine Schwester an, die die ganze Zeit über ein paar Schritte neben ihm gegangen war und die er aufgrund seiner Gedankenverlorenheit gar nicht bemerkt hatte. Mit einem Mal sah er wieder klarer, das Funkelndes fluchbeladenen Schatzes verblasste in seinem Geist, und er wusste sehr wohl, dass er ein paar Worte zuviel gesagt hatte. Das machte es allerdings auch nicht mehr besser.
„Jetzt reicht’s mir endgültig! Ich rette Euch beiden Tagediebe aus den Klauen eines Schwarzmagiers und davor, ein Leben lang in dieser Kammer eingesperrt zu sein, und mein feiner Herr Bruder hat es auch noch nötig, sich darüber zu beschweren! Aber bitte schön, denk, was du willst, wir beide sind ab jetzt geschiedene Leute sozusagen – wenn wir nach Bühlsend zurückkehren, kannst du deine Koffer packen und zu Tante Petronella ziehen! Oder mit deinem Freund Neimo um die Welt ziehen und dich auffressen lassen, mir ist das ab jetzt völlig schnuppe!“
Hermeline hob die Nasenspitze in die Höhe, drehte sich auf den Absätzen herum und rauschte ab.
„Ich hab’s doch gar nicht so gemeint ...“, sagte Fredi in einem jämmerlichen Ton.
„Frauen!“, meinte Cord. „Bestimmt hat sie das morgen früh schon wieder vergessen. Oder du schenkst ihr ein schönes Rentierfell zum Anziehen – das wirkt bei unseren Frauen im hohen Norden immer!“
„Bei
Euren
Frauen vielleicht“, sagte Neimo. „Aber du scheinst Hermeline nicht besonders gut zu kennen, wenn sie einmal sauer ist, dann richtig.“
„Und außerdem wo bitte schön soll ich in diesem öden und heißen Orkland auf die Schnelle ein Rentierfell herzaubern?“, meinte Fredi mit einem leisen Anflug von Verzweiflung in der Stimme. Dabei sah sich in der Umgebung um, ob er nicht durch einen bloßen Zufall doch irgendwo ein Rentier
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