Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
ihnen das bereits voll und ganz geglückt.
„Ich begrüße Euch in dem bescheidenen Ratssaal unserer Gilde, Eure Hoheit“, erhob sich eine bedächtige, vage verächtlich klingende Stimme, die sie nicht kannte und die von weit oben zu ihr herabschallte. „Ich hoffe, Euer Weg hierher war nicht allzu beschwerlich.“
Ein Stück Weg vor der Herrscherin Awidons ragte eine überwältigend beschaffene, unfassbar hohe Empore aus silbergrauem Dolomitmarmor wie der Rücken eines Berges in die Höhe. Die Schultern des Podestes trugen zwei thronartige Sitze, auf denen zwei unbewegte Menschen saßen: das feiste, schielende Gesicht Hoss Nukrems mit all der Gier, die sich in seinem Schwabbelkinn abzeichnete, und die höhnisch grinsende Visage seines Kompagnons Gildagar Rattenfänger waren unverkennbar. Tenea überlegte unwillkürlich, wie es Nukrem gelungen war, seinen aufgeblähten Leib so hoch hinauf zu bugsieren. Zwar war zu vermuten, dass auf der rückwärtigen Seite der Empore eine Stiege zu der erhöhten Plattform verlief, doch nicht auszuschließen war auch, dass man das fette Schwein mit einem Seilzug dort hinauf gewuchtet hatte. Das arme Seil.
Erheblich furchteinflößender als diese beiden Schurken fand sie jedoch die dritte Gestalt im Bunde,die Person nämlich,die sich in der Mitte und zugleich auf dem absoluten Gipfel des Podestes befand. Es war ein Mann, soweit man dies von Teneas niedriger Warte aus sagen konnte, der sich in eine scharlachrote, mit reichlich Schwarz bestickte Robe gehüllt hatte und dessen untere Gesichtshälfte von einerArt schwarzem Kragen verhüllt wurde.Der Fremde saß auf einem enormen,in eckigen Formen gehaltenen Thron aus Kristall,das an sich durchsichtig,doch wie mit einem dunklen Rauch bestäubt war. Neben sich stützte er einen langen, schwarzen Stab auf den Untergrund, der weniger an eine Gehhilfe oder an eine herkömmliche Waffe erinnerte, sondern vielmehr an eine der Utensilien, die üblicherweise Zauberer mit sich trugen. Auch das noch!
Das Herz der Besucherin, deren Nacken vom steilen Emporgucken bereits zu schmerzen begann, rutschte bis in ihren Unterrock. Denn derjenige, in den sie all ihre Hoffnungen gesetzt hatte und der der einzige Vernünftige und Vertrauenswürdige in dem räudigen Haufen der Gildeleute war, war nicht anwesend, wie sie nun verbittert feststellte: Amfred. Wenn sie daran dachte, wie sehr sie sich seinerzeit dafür eingesetzt hatte (wobei anzumerken war, dass ihr Einfluss in die Kreise der Händlergilde hinein kaum der Rede wert war), dass der letzte Spross des Hauses Benelots von Engat Lum der neue Vorsteher, der neue Magister der Gilde wurde! Wie sehr hatte sie sich darüber gefreut, als Gildagar, Nukrem und die anderen Ratsmitglieder zähneknirschend ihr Einverständnis dazu erklärten und ihre Absicht bekundeten, zukünftig ein offeneres, rücksichtsvolleres Geschäftsgebaren an den Tag zu legen! Amfred sollte das von allen akzeptierte Bindeglied zwischen Krone und Gilderat, zwischen Wohlhabenden und Bedürftigen, zwischen Awidon und den anderen menschlichen Reichen sein. Und nun war dieser kleine Funke Hoffnung, der scheinbar dazu angetan war, noch schlimmere Auswüchse zu verhindern, offenkundig erloschen. Denn an seiner Statt saß auf dem Thron, der dem Oberhaupt der vielleicht mächtigsten Organisation der Menschen Arthiliens gebührte, eine ebenso bedrohliche wie fremdartige Gestalt, die nichts Gutes verhieß.
Darüber hinaus waren die Veränderungen, die sich seit ihrem letzten Besuch in dieser Halle getan hatten, in der Tat erstaunlich, wie sie nicht umhin konnte, festzustellen. Das Zwielicht, das die Marmorempore wie eine dunkle Wolke umwaberte, und die Art und Weise, wie die in der Höhe Thronenden von drei Lichtpfeilen angestrahlt und dadurch überhaupt erst kenntlich gemacht wurden, erweckte den Anschein, als ob die drei weit über den Nebeln und Niederungen der Welt schwebten. Die Verantwortlichen täten gut daran, beim Theater anzuheuern.
„Wie ich sehe, ist der Magister nicht anwesend“, bemerkte Tenea, während sie all ihren Mut zusammennahm. „Ich hatte gehofft, mich mit ihm über die ein oder andere politische Angelegenheit austauschen zu können.“ Hatte sie sich damit zu weit aus ihrer Deckung herausgewagt? Aber darauf kam es jetzt wohl auch nicht mehr an.
„Ich entnehme Euren Worten, dass Ihr irritiert seid über meine Person, was unzweifelhaft daran liegt, dass wir bislang noch nicht die Ehre hatten, Eure königliche
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