Der Krieg der Zwerge
Geschäften nachgingen.
Sie nahm nicht wahr, dass die Stände des Marktes abgebaut wurden, die Händler ihre Ware verstauten und ihr Geld zählten; man ging in die Wohnungen zurück, besuchte die Tavernen, aus denen der Duft von Essen quoll, oder versammelte sich auf Plätzen, um sich zu treffen und über die neuesten Geschehnisse zu reden.
Etwas riss sie aus ihrer Benommenheit. Im Vorbeigehen hörte sie, wie mit großer Erleichterung von den getöteten Nôd'onnAnhängern gesprochen wurde, von dem heldenhaften Einsatz Rodarios, von den Erfolgen beim Aufmauern der Befestigungen.
Die Halbalbin schnaubte. Nur eine Sache bleibt im Verborgenen: der Tod meines Kindes.
Die Maga hatte sich mit einem Zauber vor den tonnenschweren Marmorbrocken gerettet, die auf sie einzustürzen drohten; alles, was sie abbekommen hatte, war ein verstauchter Knöchel gewesen.
Der Preis, den Narmora für ihren Fehler im Umgang mit der Magie bezahlen musste, gestaltete sich weitaus höher, tragischer.
Sie näherte sich dem Palasttor, vor dem zu ihrer Verwunderung Rodario wartete. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie in die Arme, und Narmora spürte, wie ihr die Tränen von neuem in die Augen stiegen.
Er ließ sie los. »Ich habe es von Andôkai gehört«, erklärte er betrübt und vermied es, auf ihren Bauch zu schauen, der sich schlank wie einst präsentierte. Schlank und kindlos.
»Du musst nichts sagen«, unterband sie weitere Worte. »Immerhin hat mir die Magie eine Tochter gelassen, auch wenn es ein schwacher Trost ist. Sie wird ihren Zwillingsbruder niemals sehen, doch sie wird von ihm erfahren.« Als sie Rodarios Blick suchte, erkannte sie, dass auf seinem Gesicht ein eigentümlicher Ausdruck entstanden war, der immer dann erschien, wenn er etwas Unangenehmes beichten wollte. »Unterschlupf?«, riet sie schwach lächelnd. »Hast du dich nach deiner Heldentat an den Busen eines Mädchens gedrückt, dessen Vater dich nun sucht?«
Er schaute sich misstrauisch um. »Komm, wir reden an einem anderen Ort«, bat er sie und zog sie in die Gassen Poristas. Unterwegs berichtete er ihr von dem wahren Geschehen, als er den Räubern und Anhängern Nôd'onns begegnet war, und nicht die reckenhafte Variation, die man sich unter den Städtern erzählte.
»Ich weiß nicht, wie es dir erklären soll, es mag auch sein, dass sie mich angelogen hat, obgleich man ja im Angesicht des Todes nicht die Unwahrheit von sich geben würde, nehme ich an«, bereitete er sie haspelnd vor. Er fürchtete ihre Bestürzung über die neueste Enthüllung. »Wohlan …«
Narmora sah ihn ungehalten an. »Keine Theatersprache«, verlangte sie. »Was hat man dir gesagt? Gibt es noch mehr von den Bastarden?«
»Das ist es ja«, druckste er herum. »Nufa hat gesagt, sie hätten damit nichts zu tun, hätten aber jemanden beobachtet, wie er den Überfall einfädelte, um ihn ihnen in die Schuhe zu schieben.«
Sie packte ihn hart an den Schultern. »Rodario, auch wenn du der Unglaubliche bist, so rede verständlich daher«, warnte sie ihn drohend.
Der Mime holte tief Luft und nahm innerlich Anlauf. »Also gut. Sie hat gesagt, dass sie beobachtet hätten, wie Andôkai …« Sein ernstes Gesicht wurde abrupt freundlich, ein gewinnendes Lächeln legte sich auf seine Züge. »Andôkai!«, wiederholte er lauter und hob die Hand zum Gruß. »Die ehrenwerte Maga streift persönlich durch die Gassen, um für Ordnung zu sorgen.« Er lachte falsch, was jedoch nur Narmora erkannte. »Wie schön. Ist der kleine Djerůn auch dabei?« Hastig schaute er über die Schulter.
Die Maga trat an sie beide heran. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Narmora«, erklärte sie ihr Erscheinen, wenngleich auf dem kantigen Gesicht nichts dergleichen zu sehen war. »Du warst lange weg, länger als vereinbart. Deine Tochter schreit nach dir, ohne sich zu beruhigen, und ich bin sicherlich nicht die Richtige, wenn es um das Ammendasein geht.«
»Ich komme.« Narmora schaute abwartend auf Rodario. »Und? Was war es, was du mir sagen wolltest?«
»Dass … wohl alle Nôd'onnJünger getötet wurden«, würgte er hervor, während die blauen Augen der Maga forschend auf ihm ruhten. »Ich habe nichts weiter herausgefunden. Du kannst dich um deine Tochter kümmern.« Er machte kehrt und ging die Gasse entlang. »Ich muss schlafen, morgen wird es ein langer Umlauf«, rief er zum Abschied und gähnte hörbar übertrieben. »So viel zu tun. Mögen die Götter mit euch sein!« Schon bog er ab und verschwand aus ihrem
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