Der Krieg der Zwerge
eingegangen. Unsere reinsten Wesen existieren nicht mehr, fiel es ihr voller Schrecken ein. Die Orkverbände hatten die letzten Einhörner bei Mifurdania abgeschlachtet. Es gab nichts, was ihnen an Makellosigkeit gleichkam.
»Avatare.« Andôkai senkte die Stirn gegen das Fenster, der blonde Zopf rutschte unter ihrer Kapuze hervor und legte sich auf ihre Brust. »Wenn die Legende einen Funken Wahrheit enthält, haben wir es mit Avataren Tions zu tun. Fleisch gewordenen Abbildern, ausgestattet mit gottgleicher Macht und wohl kaum durch weltliche Waffen zu vernichten.« Ihre Augen richteten sich auf Narmora. »Du weißt, was das für uns beide bedeutet?«
»Es wird keine Stunde mehr vergehen, ohne dass ich im Umgang mit der Magie geschult werde«, erwiderte sie und betrachtete das Gesicht der kleinen Dorsa. Ich möchte dir eine Heimat hinterlassen, keine verbrannte Erde, über die ein heißer Wind weht. »Berichten wir den Königshäusern, was wir erfahren haben?«
Andôkai bemerkte, dass ihre Famula sie nicht anschauen wollte, ging jedoch nicht weiter darauf ein. »Es wird das Beste sein. Ich berufe ein Treffen aller Herrscherinnen und Herrscher in Porista ein, sobald Djerůn von seiner Mission zurückkehrt. Die Angelegenheit muss von den Höchsten der Völker des Geborgenen Landes besprochen werden. Sie ist zu bedeutend, um sie in einem simplen Brief niederzuschreiben. Vielleicht hat das Aufklärerheer Weys bis dahin ebenfalls etwas in Erfahrung gebracht.« Sie schaute einschüchternd zu Rosild. »Du wirst nichts von dem, was du gehört hast, jemandem erzählen, Amme, oder Dorsa war das letzte Kind, das du gesäugt hast«, sprach sie mit schneidender Stimme. »Die Menschen des Geborgenen Landes werden davon in Kenntnis geset zt, wenn wir einen Plan zur Abwehr der Avatare haben. Sie werden aus dem Munde ihrer Königinnen und Könige davon erfahren und nicht aus dem einer Nährmutter.« Hastig nickte Rosild, sie verlor alle Farbe und schwor auf der Stelle bei Palandiell, nichts zu verraten. »Und nun zurück nach Porista. Wir haben viel vorzubereiten und zu tun, Narmora.«
»Gewiss, ehrenwerte Maga.« Die Halbalbin nickte beiläufig, ohne die Augen von Dorsa zu wenden. Was ihre Mentorin nicht ahnte, war, dass die Neuigkeiten soeben ihr Leben verlängert hatten, mindestens für den Zeitraum, in dem der Krieg gegen die Avatare Tions geführt wurde. Danach würde sie Andôkai keine Schonung mehr zuteil werden lassen. »Ich werde eine noch bessere Famula sein, das verspreche ich Euch.« Sie drehte den Kopf und lächelte die Maga an. Die Schauspielerei beherrschte sie noch immer.
Zweites Buch
I
Das Geborgene Land, Gauragar, 6234. Sonnenzyklus, Spätfrühling
»Wirst du die Entscheidung nicht bereuen, Tungdil?« Myr lief neben ihm her und stellte die Frage, ohne ihn anzusehen. Sie hielt einen kleinen Tiegel mit bläulicher Salbe in der Hand und schmierte sich das empfindliche Gesicht ein, um es vor der Sonne zu schützen.
Tungdil kam es so vor, als schämte sie sich, dass er sie in die Welt ihrer Gemeinschaft begleitete, als wäre es ihr unangenehm, als bedrückte sie der Umstand, dass er das Fünfte Zwergenreich verlassen hatte … als machte sie sich deswegen Vorwürfe.
»Nein, ich werde sie sicher nicht bereuen«, antwortete er nach einer Weile, einen Fuß vor den anderen setzend und die Augen auf den Horizont geheftet, wo die Sonne versank und das Geborgene Land in dunkles Rot tauchte. »Du denkst nicht etwa, dass ich sie deinetwegen verlassen habe?«
»Meinst du mit >sie< nun Balyndis oder deine Leute?«
Tungdil musste selbst nachdenken. »Balyndis und ihren Gemahl«, erwiderte er mit fester Stimme. »Nein, ich habe sie nicht deinetwegen verlassen. Ich gestehe, dass ich dich anziehend finde, weil du so völlig anders bist als die Zwerginnen, die ich bislang kennen lernen durfte. Weil du meiner gelehrten Seele neues Leben gegeben hast.« Er wandte sich ihr zu, und ihr Blick begegnete dem seinen; Hoffnung stand in den roten Augen. »Lass mir Zeit, Myr. Mein Herz und mein Verstand sind noch zu verwirrt, als dass ich mir über meine Gefühle im Klaren wäre.« Er lächelte schief. »Der Abstand zu Balyndis wird mir gut tun und mir zeigen, was ich will. Das ist der Grund, weshalb ich gegangen bin. Und die Neugier auf das, was ich bei deinen Leuten zu sehen bekomme.«
Sie nickte, drehte den Kopf und suchte den Weiher, dem sie sich seit Sonnenumläufen näherten. »Ich verstehe, Tungdil. Und ich kann nach wie vor
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