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Der Krieg der Zwerge

Der Krieg der Zwerge

Titel: Der Krieg der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Sinken des Sonnengestirns kletterte er auf der gewaltigsten der Schleudern herum und machte sich beim Einbruch der Dämmerung zum Absteigen bereit. Dabei ging er sorgfältig vor, denn es gab keine Sicherungsleine oder Fangnetze. Ein Fehltritt bedeutete einen Sturz aus mehr als zehn Schritt Höhe.
    Überall im Lager, in dem neue Rekruten eingetroffen waren, wurden große Feuer entzündet. In die frisch ausgehobenen Gräben um die Zelte herum legten die Soldaten mit Pech und Teer getränkte Tücher und zündeten sie an. So schufen sie einen Ring aus Flammen, durch den kein Alb hindurchgelangen konnte, ohne sich schwere Verletzungen zuzuziehen. Jede Stunde, so lautete die Anweisung, wurde etwas von der stinkenden Masse nachgeschüttet, die so zäh war, dass sie nicht im Erdreich versickerte. Den beißenden Qualm und den Gestank nahmen die Männer gern in Kauf. Sie bildeten im Vergleich zum Tod das kleinere Übel.
    Hosjep war zufrieden. Die Wurfmaschinen erhoben sich erneut und drohten den Resten des Waldes mit ihren langen Armen; in zehn Umläufen wären zudem die Lager mit Petroleum und Öl vollständig aufgefüllt. Im Grunde sah es gut für das Heer aus.
    Wenn da nicht die Angst, die Geschichten und der Aberglaube gewesen wären …
    Zeit für ein gutes Mahl und einen Humpen Bier! Hosjep freute sich auf sein Bett aus Stroh, auf dem er seine müden Glieder ausruhen konnte. Er sprang auf den schräg nach unten zeigenden Wurfarm und wollte auf dem mannsbreiten Balken nach unten balancieren, als er sah, dass die Flamme des Feuers neben der Maschine kleiner wurde, sich ängstlich zusammenduckte und ins Holz kriechen wollte.
Hosjep verharrte an seinem Platz und schaute sich um.
Nicht nur dieses Feuer verhielt sich merkwürdig. Alles, was brannte, von der Kerze auf dem groben Tisch der Soldaten bis zur Öllampe vor dem Zelt des Kommandanten, litt daran, verkleinerte sich und verlor seine Leuchtkraft, bis es auf einen Schlag stockfinster im Lager wurde.
Der Zimmermann hörte keinen Laut. Die Menschen waren vor Schreck erstarrt, horchten in die Finsternis und beteten, dass sich nichts regte.
    Ich hätte niemals geglaubt, dass es nachts so dunkel werden könnte. Sogar der Mond und die Sterne verbergen sich hinter den Wolken. Hosjep kam es so vor, als würde das gesamte Heerlager von Schwärze umfangen, die es ihm unmöglich machte, die Hand vor Augen zu sehen.
Die Pferde rochen etwas. Laut wieherten sie ihre Furcht heraus, versuchten sich loszureißen. Die Pfosten, an denen ihre Leinen festgebunden waren, ächzten und gaben schließlich der geballten Kraft nach.
Er hörte das Knirschen und Krachen, dann donnerten hunderte von Hufen durch das Lager, rissen Zelte um, trampelten Soldaten nieder. Die Tiere sahen genauso wenig wie die Menschen und wandten sich blind in die entgegengesetzte Richtung, aus der die Witterung in ihre Nüstern stieg. Gelegentlich spürte Hosjep eine Erschütterung des Holzes, wenn eines der Pferde dagegen rannte.
Staub wirbelte bis zu ihm hinauf, er roch Asche von erloschenen Feuern. Allmählich endete das ohrenbetäubende Rumpeln; die Pferde waren geflohen und wieherten leise in der Ferne.
»Sammeln«, schrie ein Offizier, der besonders abgebrüht war, um die erschrockenen Rufe und das Jammern der Verwundeten zu übertönen. »Dritter Zug zu mir, formiert euch. Die Pikenträger nach vor …« Er verstummte, und gleich darauf erklang das Fallen eines gerüsteten Körpers.
Alle, die nahe genug gestanden hatten, wussten, was es bedeutete.
»Weg!«, brüllte jemand angsterfüllt, eine Waffe fiel zu Boden, und schnelle Schritte erklangen. »Sie sind im Lager! Sie sind hier!«
Hosjep kauerte sich flach auf den Onagerarm und hoffte, dass er so weit oben und zwischen den senkrecht aufragenden Holzpfeilern vor aller Augen verborgen war, falls die Dunkelheit wich.
Um ihn herum brach das Sterben an.
Ein einzelner, lang gezogener Todesschrei leitete das Gemetzel ein, und die Geräusche, die ihm ein grausamer Wind aus allen Ecken des Lagers zutrug, würde er in seinem ganzen Leben nicht mehr vergessen.
Die Albae schienen sehr genau zu wissen, wo sich die Soldaten befanden. Unablässig sirrte es aus allen Richtungen. Ein verirrter Pfeil traf den Zimmermann ins Bein, doch er biss die Zähne zusammen, um sich nicht durch einen Schmerzenslaut zu verraten.
Das Klirren von Schwertern und die gellenden Schreie der Menschen hielten an. Dann riss die Wolkendecke auf; die Nachtgestirne durchbrachen die Finsternis und

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