Der Krieg der Zwerge
Formeln, und als er die überraschten Schreie hörte, schleuderte er noch zwei der Glasröhrchen mit Säure hinterher. Anschließend hechtete er unter den Tisch. Hatte er damit gerechnet, sogleich zu einem Asche häufchen zu werden, stellte er nun fest, dass nichts dergleichen geschah. Zwar stank es verbrannt um ihn herum, doch das ging nicht von ihm aus.
Sobald er wieder etwas von seiner Umgebung sehen konnte, erkannte er, dass sich die Soldaten kokelnd am Boden wälzten und der Mann in der Robe tot zwischen ihnen lag. Eines der Gläschen hatte ihn am Kopf getroffen, die Hälfte seines Schädels und sein Gesicht waren von der Säure verschlungen worden. »Ha!« Ermutigt von dem unerwarteten Erfolg, kroch er unter seinem Schutz hervor. »Das habt ihr davon, dass ihr euch mit Rodario dem Unglaublichen angelegt habt!« Lirkim lag mit dem Oberkörper auf der Tischplatte, begrub ihren Teller und zwei Anrichteplatten unter sich und war mit der Schläfe so hart gegen das Holz geprallt, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. »Und nimm auch du zur Kenntnis: Kein Weib treibt Spielchen mit Rodario.« Ich habe eben zwei Avatare besiegt! Er stemmte die Arme in die Hüften und lachte, wie es eine seiner Bühnefiguren sicherlich auch getan hätte. Und dich nehme ich mit. Du wirst uns erzählen, was du und deine Freunde mit der magischen Quelle beabsichtigen. Er packte die Frau im Nacken und zog sie zurück, riss ihr sämtlichen Schmuck von Hals und Fingern, um sie ihrer magischen Energie zu berauben und ihn sich selbst einzu stecken. Dann flößte er ihr nochmals einen ordentlichen Schluck Wein ein und zertrümmerte vorsichtshalber den leeren Dekanter auf ihrem Kopf, um sicherzugehen, dass sie nicht erwachte. Schlag und Alkohol sollten gemeinschaftlich dafür Sorge tragen.
Er warf sie sich eben über die Schulter, als er Getrappel vor der Tür vernahm. Die lauten und vor allem unüber hörbaren Geräusche des Kampfes hatten andere Wächter alarmiert. Die Freude über den Sieg erlosch, und auch sein Draufgängertum zerfloss wie Schminke in der Hitze eines vollbesetzten Theaters.
Seine Füße trugen ihn von selbst zum Fenster, er schaute hinab in den Garten und entdeckte mehrere Gestalten. Kleine Gestalten. Er stieß die Flügel auf. »He, Freunde! Ich habe eine Avatara gestohlen!« Er deutete auf ihren Hintern. »Aber ihre Mitgötter sind mir auf den Fersen. Wärt ihr wohl so gut, und …« »Komm runter, Schwätzer!«, rief Boïndil zurück und gestikulierte wild. »Wir kennen einen Ausgang!« »Es ist üblicherweise nicht meine Art, Frauen derart zu behandeln, verzeiht mir«, sagte er entschuldigend zu dem Hintern. Ohne länger zu zögern, warf er Lirkim über die Brüstung. Sie fiel nach kurzem Sturz in den Schnee, er hüpfte hinterher und landete knapp neben ihr. Schnell vergewisserte er sich, dass ihr Herz noch schlug, dann wuchtete er sich die Avatara auf die Schulter und lief hinter den Zwergen, Furgas und Ondori her, die auf magische Weise eine Öffnung in der ansonsten massiven Mauer des Palasts schufen.
Sie verließen den Garten und rannten die leeren Gassen Poristas entlang. Das dichter werdende Schneetreiben deckte ihre Flucht und machte es unmöglich, sie auf eine Entfernung von mehr als fünf Schritten zu erkennen. »Welch glückliche Fügung«, keuchte der Schauspieler unter seiner Last und sah, dass seine Begleiter ihren Teil der Mission erfüllt hatten. »Es scheint, als wären wir wieder die Lieblinge der Götter. Balyndis, das Kind und eine Avatara. Erfolgreicher kann man nicht sein.«
»Was faselst du die ganze Zeit von einer Avatara?«, schnaufte Boïndil, bei dem sich das Gewicht der schweren Rüstung ebenso auswirkte wie bei Boëndal und Tungdil. Sie verloren weiter an Geschwindigkeit, was dem Schauspieler nicht unrecht war. Auch für ihn bedeutete das Schleppen eine ungewohnte Herausforderung. Der kräftige Furgas dagegen tat sich leichter.
»Ihr Name ist Lirkim. Sie tat zuerst so, als wäre sie eine Zofe im Gefolge der Avatare. Besser gesagt, ich ging davon aus. Aber beim Essen kam ihr Freund ungebeten hinzu, und ich erkannte, was sie in Wirklichkeit ist«, hechelte Rodario. »Sicher. Der Schwätzer fängt eine Avatara.« Ingrimmschs Atem ging pfeifend. Die Gefangene murmelte undeutliche Worte, es klang nach Avatar und Eoîl. Ondori lauschte auf die Töne und versetzte ihr rasch einen harten Faustschlag ins Gesicht, um sie zum Schweigen zu bringen. »Ein Zauber«, erklärte sie. »Ich wollte nicht, dass
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