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Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Titel: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swetlana Alexijewitsch
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tun. Als Protest ...«
    Valentina Pawlowna Koshemjakina ,Partisanin
    »Wie soll man das vergessen ... Die Verwundeten löffelten Salz ... Wenn einer im Glied aufgerufen wurde und vortrat, fiel er häufig mit seinem Gewehr vor Schwäche in Ohnmacht. Vor Hunger.
    Das Volk hat uns unterstützt. Ohne diese Hilfe hätte die Partisanenbewegung nicht existieren können. Das Volk kämpfte mit uns. Sie halfen uns, wenn auch manchmal unter Tränen.
    ›Kinder, wir werden gemeinsam leiden. Und auf den Sieg warten.‹
    Die letzten winzigen Kartoffeln teilten sie mit uns, gaben uns Brot. Sie packten Säcke für den Wald. Einer sagte: ›Ich geb soundso viel‹, der Nächste: ›So viel.‹ – ›Und du, Iwan?‹ – ›Und du, Maria?‹ – ›Das Gleiche wie die anderen, aber ich hab ja Kinder.‹
    Was wären wir ohne die Bevölkerung gewesen? Wir waren eine ganze Armee im Wald, aber ohne sie wären wir zu Grunde gegangen; sie haben gesät, gepflügt, haben ihre Kinder und uns durchgefüttert und den ganzen Krieg über eingekleidet. Auf dem Feld arbeiteten sie nachts, wenn nicht geschossen wurde. Ich weiß noch, einmal kamen wir in ein Dorf, dort wurde gerade ein alter Mann begraben. Er war in der Nacht getötet worden. Bei der Kornaussaat ... Er hielt noch Getreidekörner in der Hand, so fest umklammert, dass man die Faust nicht lösen konnte. Er wurde mit dem Korn in der Hand begraben ...
    Wir hatten ja Waffen, wir konnten uns verteidigen. Aber sie? Wer einem Partisanen Brot gab, konnte dafür erschossen werden; ich übernachtete irgendwo und ging wieder, aber wenn jemand meldete, dass ich in dieser Hütte übernachtet hatte, wurden die Bewohner erschossen. Da war zum Beispiel eine Frau, allein, ohne Mann, mit drei kleinen Kindern. Aber sie jagte uns nicht fort, wenn wir kamen; sie heizte den Ofen, wusch unsere Sachen ... Gab uns das Letzte: ›Esst nur, liebe Kinder.‹ Die Kartoffeln sind im Frühjahr winzig klein, wie Murmeln. Wir essen, und ihre Kinder sitzen auf dem Ofen und weinen. Diese Murmeln sind ihre letzten ...«
    Alexandra Nikiforowna Sacharowa ,
    Partisanenkommissarin des zweihundertfünfundzwanzigsten Regiments des Gebiets Gomel
    »Der erste Auftrag ... Sie brachten mir Flugblätter. Ich nähte sie in mein Kopfkissen. Meine Mutter machte das Bett und fühlte etwas. Sie trennte das Kissen auf und entdeckte die Flugblätter. Sie fing an zu weinen. ›Du wirst dich zu Grunde richten und mich auch.‹ Aber dann half sie mir.
    Zu uns kamen oft Verbindungsleute von den Partisanen. Spannten ihr Pferd aus und kamen herein. Meinen Sie, die Nachbarn hätten das nicht gesehen? Sie haben es gesehen und etwas geahnt. Ich sagte, die Leute kämen von meinem Bruder, aus dem Dorf. Aber alle wussten sehr gut, dass ich keinen Bruder im Dorf hatte. Ich bin ihnen dankbar, ich muss mich vor unserer ganzen Straße verneigen. Ein einziges Wort hätte genügt, und wir wären getötet worden, unsere ganze Familie. Sie hätten nur mit dem Finger auf uns zeigen müssen. Aber keiner ... Nicht ein Einziger ... Im Krieg habe ich die Menschen so lieb gewonnen, diese Liebe wird nie enden ...
    Nach der Befreiung ... Ich ging die Straße entlang und sah mich dauernd um: Ich hatte verlernt, keine Angst zu haben, ich konnte nicht mehr ruhig eine Straße entlanggehen. Ich lief und zählte die Autos, am Bahnhof die Züge ... Ich konnte und konnte nicht auftauchen aus dem Untergrund ...«
    Vera Grigorjewna Sedowa ,Untergrundkämpferin
    »Ich weine schon ... Ich habe nur Tränen, keine Worte ...
    Wir kamen in eine Hütte, sie war vollkommen leer, nur zwei nackte Holzbänke und ein Tisch. Ich glaube, es war nicht einmal ein Becher da zum Wassertrinken. Alles hatte man diesen Menschen weggenommen. Nur eine Ikone hing noch in der Ecke und darüber ein Tuch.
    In der Hütte saßen ein Großvater und eine Großmutter. Einer unserer Partisanen zog seine Stiefel aus, die Fußlappen waren so zerrissen, dass er sie nicht mehr richtig wickeln konnte. Draußen regnete es, es war schlammig, und die Stiefel waren löchrig. Da ging die Großmutter zur Ikone, nahm das Tuch ab und gab es ihm: ›Hier, mein Junge, wie willst du sonst laufen?‹
    Das war das Einzige, was sie noch hatten ...«
    Vera Safronowna Dawydowa ,Partisanin
    »Jeder hatte seinen Krieg ... Seinen eigenen Krieg ...
    In den ersten Tagen sammelte ich hinterm Dorf zwei Verwundete auf. Der eine Soldat hatte eine Kopfwunde, der andere einen Splitter im Bein. Ich zog den Splitter raus und goss Petroleum

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