Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
Wäscherei-Einheit ...« In der ganzen Zeit meiner Recherchen gab es nur vereinzelt kategorische Absagen: »Nein, das ist wie ein Albtraum ... Ich kann nicht! Ich will nicht!« Oder: »Ich will mich nicht erinnern! Ich will nicht! Ich wollte so lange alles vergessen ...« Und an einen weiteren Brief erinnere ich mich, ohne Absender: »Mein Mann, Träger mehrerer Ruhmesorden, bekam nach dem Krieg zehn Jahre Lager. So empfing die Heimat die Sieger. Er hatte in einem Brief an einen Freund geschrieben, dass es ihm schwerfällt, auf unseren Sieg stolz zu sein – unser und fremder Boden sei übersät mit russischen Leichen. Mit Blut getränkt. Er wurde sofort einkassiert ... Nach Stalins Tod kam er aus Magadan zurück. Krank. Kinder haben wir nicht. Ich muss mich nicht an den Krieg erinnern, mein Krieg ist noch nicht vorbei ...«
Nicht jeder kann sich entschließen, seine Erinnerungen aufzuschreiben, und auch nicht jedem gelingt es, das ist ja ziemlich schwierig – dem Papier seine Gedanken und Gefühle anzuvertrauen. »... die Tränen hindern mich ...‹ ( A. Burakowa , Unterfeldwebel, Funkerin). So bringt der Briefwechsel entgegen meinen Erwartungen nur Adressen und neue Namen.
»In mir steckt jede Menge Metall ... Einen Splitter von einer Verwundung bei Witebsk trage ich drei Zentimeter neben dem Herzen in der Lunge. Einen zweiten – in der rechten Lunge. Zwei im Bauchraum ... Hier ist meine Adresse. Kommen Sie her. Ich kann nicht weiter schreiben, ich kann vor Tränen nichts mehr sehen ...«
V. Gromowa , Sanitätsinstrukteurin
»Große Auszeichnungen habe ich nicht, nur ein paar Medaillen. Ich weiß nicht, ob mein Leben Sie interessiert, aber ich würde es gern jemandem erzählen ...«
V. P. Woronowa ,Telefonistin
»Mein Mann und ich lebten im hohen Norden, in Magadan. Mein Mann arbeitete als Kraftfahrer, ich als Gütekontrolleurin. Gleich bei Kriegsausbruch meldeten wir uns für die Front. Doch man sagte uns, wir sollten weiter dort arbeiten, wo wir gebraucht würden. Da schickten wir ein an den Genossen Stalin adressiertes Telegramm, dass wir fünftausend Rubel für den Bau eines Panzers spenden und gern zusammen an die Front möchten. Wir bekamen ein Dankschreiben von der Regierung. Dreiundvierzig wurden mein Mann und ich an die Panzertechnikerschule in Tscheljabinsk delegiert, die wir extern absolvierten.
Dort bekamen wir einen Panzer. Wir waren beide ausgebildet als Panzerfahrer, aber davon braucht ein Panzer nur einen. Die Leitung beschloss, mich zum Panzerkommandanten des IS-122 zu ernennen und meinen Mann zum Fahrer. So kamen wir bis nach Deutschland. Wir wurden beide verwundet. Haben beide Auszeichnungen bekommen.
Es gab viele Panzersoldatinnen auf mittleren Panzern, aber auf einem schweren Panzer war ich die Einzige. Manchmal denke ich: Vielleicht sollte ich mein Leben mal einem Schriftsteller erzählen ...«
Boiko ,Unterleutnant, Panzersoldatin
»Zweiundvierzig ... Ich wurde zum Divisionskommandeur ernannt ... Der Regimentskommissar warnte mich: ›Und denken Sie daran, Hauptmann, Sie übernehmen keine normale Division, sondern eine Mädchendivision. Die Hälfte der Truppe sind Mädchen, die brauchen einen besonderen Umgang, besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge.‹ Ich wusste natürlich, dass auch Mädchen bei der Armee waren, konnte mir das aber schlecht vorstellen. Wir Berufsoffiziere waren ein wenig skeptisch, wie wohl das ›schwache Geschlecht‹ das militärische Handwerk meistern würde, das seit Jahrhunderten als Männersache galt. Na schön, Krankenschwestern – das war normal. Sie hatten sich schon im Ersten Weltkrieg bewährt und dann im Bürgerkrieg. Aber was machten Mädchen bei der Flak, wo man kiloschwere Granaten schleppen musste? Wie brachte man sie in einer Batterie unter, wo es nur einen einzigen Unterstand gab, aber auch Männer zur Truppe gehörten? Die Soldaten mussten stundenlang auf dem Gerät sitzen, und das war aus Metall, genauso die Sitze auf den Geschützen, und sie waren doch Mädchen, das ging doch nicht. Und schließlich – wo sollten sie sich die Haare waschen und trocknen? Eine Menge Fragen, so ungewöhnlich war die Sache ...
Ich beging die Batterien, sah mich um. Ich gestehe, mir war ein wenig komisch zumute: Der Wachposten ein Mädchen mit Gewehr, ein Mädchen mit Fernglas auf dem Turm – ich kam ja von der Front, von der vordersten Linie. Und wie verschieden sie waren – schüchtern, ängstlich, affektiert und entschlossen, feurig. Nicht alle können
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