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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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winzigen Stichwunden übersät; die Finger waren gebrochen und standen wie ein Klumpen zertrampelten Grases in verschiedene Richtungen ab. Die Zahl der Brandwunden auf seinem Fleisch konnte sie nicht zählen.
    »Ein Knebel«, sagte Kelland mit der eisernen Gelassenheit, die ihn befiel, wenn seine Wut sich Bahn zu brechen drohte. Er berührte den Strick zwischen den blutbefleckten Zähnen des Leichnams. Fleischbröckchen bedeckten den Knebel; er hatte in seinem Mund gesteckt, als man ihm die Lippen abgeschnitten hatte.
    »Dadurch wollte man ihn nicht zum Reden bringen.« Galle stieg in Bitharns Kehle hoch. »Man hat es … zum Spaß getan?«
    Kelland beugte sich über den verstümmelten Leichnam und drückte das Lid von Mathas’ verbliebenem Auge auf. Pupille und Iris waren gleichermaßen verborgen hinter einem Wirbel elfenbeinfarbenen Nebels, der vor Bitharns Augen weiterwaberte.
    »Nicht zum Spaß«, erwiderte Kelland. Das Licht um ihn herum erlosch. Als die Schatten zurückfluteten, nahm der Leichnam des Bäckers wieder seine scheinbare Unversehrtheit an. »Um uns hervorzulocken. Die Dornenlady ist hier, und das ist ihre Herausforderung.«
    »Du kannst dich ihr nicht allein stellen.« Bitharn sagte es mit mehr Festigkeit, als sie verspürte. Sie wusste nicht genau, wie viel Nutzen ihre Pfeile gegen die Magie einer Dorne hätten, aber sie wusste , dass sie Kelland nicht allein ausziehen lassen würde. Er brauchte ihre Hilfe, selbst wenn er zu starrköpfig war, um es zu sagen. Ihre Pfeile mochten nur eine Ablenkung sein, aber eine Ablenkung konnte entscheidend sein – und wer wüsste denn, ob ihr nicht doch ein Glückstreffer gelänge? Mit einem Meter Esche im Leib, an der Spitze eine Stahlkappe, starben Dornen wie jeder andere Mensch auch.
    Der sture Ausdruck auf Kellands Gesicht verriet ihr, dass der Ritter es ebenfalls wusste und nicht nachgeben wollte. »Doch, kann ich. Bitharn …«
    »Verhätschle mich nicht. Beschütze mich nicht. Du brauchst jemanden, der dir Deckung gibt. Die Dornenlady wird nicht allein sein. Sie hat ihre Ghulhunde.«
    »Sie kümmert sich nicht um sie. Weil sie sie nicht schwächen.«
    »Aber ich?«
    »So habe ich das nicht gemeint.« Er berührte die kalten, blauen Lippen des Leichnams und hob einen Finger, an dem zerfallende Fleischbröckchen klebten. Dieses Fleisch strafte die Illusion von Frieden, die den Toten umgab, Lügen. Kellands Hand zitterte in der Luft – ob vor Zorn oder Angst, vermochte sie nicht zu sagen. »Das ist es, was sie ist. Das ist es, womit wir es zu tun haben: eine Kreatur, die einen Mann auf solche Weise foltert und das als heiligen Dienst ansieht. Eine Kreatur, die dem Schmerz huldigt. Du kannst mich nicht darum bitten, dich in ihre Reichweite zu bringen.«
    »Aber genau das musst du tun.« Bitharn verschränkte die Arme vor der Brust und wollte nicht nachgeben, als er zurückzuckte. Sie freute sich nicht auf die Aussicht, einer Dorne gegenüberzutreten – tatsächlich erfüllte es sie mit Schrecken –, aber sie war auch keine hilflose Jungfer, die beim ersten Anzeichen von Gefahr in Ohnmacht fiel. »Du hattest keine Probleme damit, mich nach Silberteich mitzunehmen. Oder zum Rhyanne-Turm. Du hast mich dort gebraucht. Und diese Banditen auf der Straße der Flusskönige, als wir die Grenze nach Langmyr überschritten haben? In diesem Augenblick würden sie stolz dein Pferd reiten, deine Rüstung tragen und dein Schwert schwingen, wäre ich nicht gewesen.«
    »Das weiß ich. All das weiß ich. Deswegen musst du auch hierbleiben. Das ist etwas anderes. Sie ist etwas anderes.«
    »Wenn das wahr ist, dann nur deshalb, weil du mich hier noch dringender brauchst. Versprich mir, dass du nicht versuchen wirst, allein gegen sie zu kämpfen.« Wenn er sein Wort gab, wäre er daran gebunden: Ein Ritter der Sonne konnte keinen Eid brechen. »Versprich es mir.«
    Er sträubte sich lange Zeit; in seinen dunklen Augen stand die Qual, aber am Ende neigte Kelland den Kopf und gab nach. »Ich verspreche es. Die Strahlende möge mir vergeben, ich verspreche es. Ich werde nicht allein gegen sie kämpfen.«

14
    »Sir Gerbrand ist tot«, informierte Heldric seinen Lord, während Leferic sich ankleidete. »Er hat sich vor zwei Tagen Sir Merguil ergeben. Gestern bei Sonnenaufgang wurde er enthauptet. Die Beerdigungsriten fanden bei Sonnenuntergang statt. Auf ein Minimum beschränkt, aber ehrenhaft.«
    Leferic nickte geistesabwesend, während er sich zwischen einem grünen Wams mit

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