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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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undeutlich, als dass sie ihnen folgen konnte. Wo oder ob sie überhaupt zurückkehrten, ließ sich nicht erkennen. Sie wäre gern um die Mauern herumgegangen und hätte nachgesehen, an welcher Stelle Holzbein zurückgekehrt war – Mathas war innerhalb der Mauern tot aufgefunden worden, also musste er irgendwann zurückgekehrt sein –, aber der Sonnenuntergang nahte. Der Horizont im Westen zeigte bereits eine leise Rotfärbung, und sie musste das Mädchen nach Hause bringen.
    Widerstrebend kehrte Bitharn dorthin zurück, wo Mirri wartete. Sie deutete auf die Spuren und winkte das Kind heran. »Was verrät dir das?«
    Mirri betrachtete die Abdrücke und zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Dass Mathas hier war?«
    »Und zwar erst vor Kurzem.« Bitharn bückte sich, um es ihr zu zeigen, wobei sie mit einer Fingerspitze die Spuren nachzeichnete. »Hier, siehst du, wie deutlich die Abdrücke am Wasser sind? Gleich hier oben, eine Handspanne vom Rand entfernt. Du kannst eine Mulde für jeden Nagel in seinen Stiefeln erkennen. Nachts ist es kälter als jetzt; ich wette, dieser Schlamm bleibt bis zur Hochsonne halb gefroren. Wenn du bei Nacht oder früh am Morgen, bevor es taut, hier entlanggehst, würden deine Abdrücke so aussehen. Jetzt jedoch, wenn es wärmer ist, würden bloß Kleckse zurückbleiben. Weicher Schlamm klebt an deinen Füßen; er hinterlässt Sauglöcher, keine deutlichen Abdrücke wie diese.«
    »Also war er in der Nacht hier?«
    »Gestern Nacht, wenn ich mich nicht irre, oder sehr früh heute Morgen. Der Schlamm hat die Mulden noch nicht wieder gefüllt. Bei einem so weichen Boden bleiben Spuren nicht lange so deutlich.«
    »Es war noch jemand bei ihm«, meinte Mirri. »Mehr Spuren.«
    »Das stimmt.« Bitharn stand auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. »Aber das ist ein Rätsel für einen anderen Tag. Wir müssen den Wachen diesen Bogen zurückbringen, und deine Mutter wird wahrscheinlich auf dich warten.«
    »Wird es ihr gutgehen?«, fragte Mirri sehnsüchtig.
    Bitharn zögerte. Da war so viel Hoffnung in den Augen des Mädchens, und gewiss konnte es nicht schaden, ihr das Versprechen zu geben … Aber sie hatte schon zu oft erlebt, dass wegen irgendeiner Kleinigkeit etwas schiefgegangen war; daher wollte sie der Kleinen nichts anderes als die Wahrheit sagen. »Wenn die Strahlende unsere Gebete erhört, wird es ihr gutgehen.«
    Mirri nickte, und sie machten sich auf den Heimweg.
    Celestia hatte Kellands Ruf tatsächlich erhört. Mirris Mutter stand auf eigenen Beinen, als sie am Ende der Sonnenuntergangsgebete zurückkehrten; sie war noch etwas unsicher, weil sie das Bein so lange nicht benutzt hatte, aber sie ging zur Tür, um sie zu begrüßen, und sie hielt das Gleichgewicht, als Mirri sich ihr in die Arme warf.
    »Danke«, sagte die Frau, in deren Augen Tränen glänzten. Sie hielt ihre Tochter fest an sich gedrückt; ihre Hand auf Mirris Rücken zitterte. »Danke, dass ihr mir die Möglichkeit geschenkt habt, wieder zu arbeiten.«
    »Es ist Celestia, die deinen Dank verdient«, sagte Kelland. Er kam aus dem Raum hinter ihr, der von Kerzen erleuchtet wurde. »Wir sind bloß ein Kanal für ihren Segen, und für uns ist das lediglich eine Pflicht.« Die Erschöpfung warf einen Schatten über sein Gesicht, und seine Stimme war rau, aber er stand so aufrecht wie der Herold bei einem Turnier, und sein weißer Umhang war makellos wie eh und je.
    »Ich bin euch trotzdem dankbar. Möchtet ihr nicht zum Abendessen bleiben?«
    Bitharn sah Kelland zögern und antwortete schnell an seiner Stelle: »Dein Angebot ist sehr großzügig, und ich wünschte, wir könnten bleiben, aber wir werden andernorts gebraucht. Bitte, ruh dich gut aus.«
    »Wir hätten bleiben können«, murmelte Kelland, als sie gingen.
    Sie zuckte die Achseln, hakte ihn unter und lehnte sich an ihn. Als sie auf die Straße hinaustraten, hätten sie ein junges Paar sein können, das durch einen Winterabend schlenderte. Das jedenfalls sagte sie sich und verschloss ihre Gedanken gegen alles, das sie zu dem machte, was sie waren, und nicht zu dem, was zu sein sie sich wünschte.
    Nur für einen Moment durfte sie das vergessen. Nur bis sie in ihr Gasthaus zurückgekehrt waren. »Ich wollte den Spaziergang genießen. Allein, mit dir. Wir haben hier nicht viel Zeit für uns selbst.«
    Wachen, die den schwarzen Bullen auf Rot trugen, gingen oben über die hölzernen Palisaden und entzündeten Fackeln, die dünne Rauchschwaden in den

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