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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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beiseite und verlieh ihm die Klarheit, das zu begreifen, obwohl er ihm nicht dabei geholfen hatte, sich einen Plan auszudenken.
    Wie konnte er hoffen, sie aufzuhalten? Kein sterblicher Mann konnte es mit Magie aufnehmen. Albric hatte nur einen kleinen Teil dessen gesehen, was die Dornenlady auszurichten vermochte, aber es reichte aus, ihn davon zu überzeugen. Er hatte kein Gebet, das ihm helfen könnte, sie im Zweikampf zu besiegen.
    Der Verbrannte Ritter hatte jedoch eine Chance. Vielleicht sogar eine gute. Severine hatte Albric um Hilfe ersucht, damit sie ihm entgegentreten konnte; das hätte sie gewiss nicht getan, wenn der Celestianer keine echte Bedrohung für sie dargestellt hätte. In diesem Fall konnte der Verbrannte Ritter sie vielleicht auch töten – vor allem wenn man ihn warnte, womit er es zu tun hätte.
    Die einzige Frage, die noch blieb, war die, wie er die Dornenlady verraten konnte, ohne auch seinen Lord zu verraten. So sehr er Severine verabscheute, seine erste Pflicht galt Leferic: Nichts, was er tat, durfte die Stellung seines Lords gefährden. Erst nachdem er Leferic gegenüber seine Pflicht getan hatte, konnte er sich gegen die Dornenlady wenden.
    Glücklicherweise half ihm hier das Schicksal. Albric wusste, dass der Verbrannte Ritter und seine Gefährtin im Auftrag des langmyrnischen Lords Inguilar Nachforschungen über das Massaker in Weidenfeld anstellten. Sie hatten begonnen, Fragen über Weidenfeld zu stellen, aber Albric hatte keine große Angst, dass seine Schuld ans Licht käme. Der einzige Mann in Tarnebrück, der seinen Namen mit dem toten Dorf in Verbindung bringen konnte, war der Führer, den sie in Dienst genommen hatten, damit er ihnen Weidenfeld zeigte, und der war unter verdächtigen Umständen gestorben, kurz bevor Albric die Stadt erreicht hatte.
    Ein nächtlicher Raubüberfall, hieß es. Bequem. Es ersparte Albric die Mühe, es selbst zu tun.
    Da der Spion tot war, wäre das Risiko für seinen Lord, wenn er den Verbrannten Ritter ansprach, klein, nur geringfügig größer für Albric selbst und – wenn er Glück hatte, wenn die Strahlende ihm gewogen war – ein tödliches für die Dornenlady. Er war sich keineswegs sicher, dass der junge Ritter sie bezwingen konnte, aber die Bewohner von Tarnebrück schienen sehr an ihn zu glauben. Albric sagte sich, dass das genügen müsse.
    Er ging nicht direkt zu dem Celestianer. Severine würde ihn wahrscheinlich beobachten, und es war unmöglich, diskret an den Verbrannten Ritter heranzutreten. Ständig zupften Bittsteller an seinem Saum und flehten um Hilfe für einen kränklichen Vater oder eine Mutter oder um einen Segen für ein neugeborenes Kind.
    Albric hatte das Gasthaus, in dem der Ritter und seine Gefährtin logierten, beobachtet und so auch die junge Frau bemerkt. Er wartete, bis sie an einem kalten Wintermorgen allein auf dem Marktplatz die Verkaufsstände in Augenschein nahm. Aus dem Augenwinkel sah er eine Krähe zwischen den Strängen von Zwiebeln, die am Verkaufsstand eines Gemüsehändlers hingen, von einem Fuß auf den anderen hüpfen. Der Vogel war zu weit entfernt, als dass Albric hätte erkennen können, ob es sich um eine gewöhnliche Krähe handelte oder eins von Severines toten Schoßtieren, aber er wollte das Risiko eines Irrtums nicht eingehen.
    Albric schlüpfte durch die Menge und strich an dem Mädchen vorbei. Er berührte es am Ellbogen und murmelte: »Schaut nicht auf und sprecht leise. Wir werden beobachtet. Ich muss mit Euch reden.«
    Das Mädchen nickte, scheinbar an eine Blumenverkäuferin gewandt, die ihm etwas über einen Kranz aus stacheligen Stechpalmenzweigen erzählte. Sie war sehr hübsch, obwohl sie fleckige Männerkleidung trug. Ein dicker Zopf aus bernsteinfarbenem Haar, durchwirkt mit goldenen Strähnchen, fiel ihr über die Schultern. Ihr Gesicht war ein perfektes Oval, eingerahmt von hellen Locken, die sich aus dem Zopf gelöst hatten. Der letzte Anflug einer Sommerbräune lag noch auf ihren Wangen, obwohl jetzt im Winter verblasst, und nur ein Hauch von Sommersprossen war auf ihrem Nasenrücken geblieben. Albric ließ seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen. Es fiel ihm nicht schwer, und es lieferte ihm einen Vorwand, mit ihr zu reden, falls Severine tatsächlich durch die Augen der Krähe zuschaute.
    »Ihr seid mir gefolgt«, antwortete sie murmelnd, während sie den Stechpalmenkranz in der Hand hielt und mit einem Finger über das Bastwerk strich, das die kunstvollen Blätter

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