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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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zusammenhielt. Die Beeren zwischen den glänzenden Blättern zeigten alle Farben der Sonne, Rot, Orange und Gelb – Symbole für Celestias Schutz während der dunklen Winternächte. »Wer seid Ihr?«
    »Eine unfreiwillige Schachfigur der Dornen«, erwiderte er. Das Mädchen spannte die Muskeln an, hielt den Blick jedoch weiter auf den Kranz gerichtet. Er bewunderte ihre Disziplin. »Ich würde sie gern verraten. Könnt Ihr ein Treffen arrangieren?«
    »Vielleicht.«
    »Versucht es. Im Tänzer und Trommel . Heute Abend, nach den Sonnenuntergangsgebeten. Kommt zum Schankraum im Keller; ich werde dort sein. Und seid vorsichtig. Am Himmel gibt es unfreundliche Augen.« Er drehte sich auf dem Absatz um, schlenderte davon und gaffte im Vorbeigehen deutlich erkennbar ein anderes Mädchen an.
    Sobald er außer Sicht war, duckte Albric sich in den Laden eines Weinhändlers. Er bestellte einen Becher starken Rotwein, um sich Mut zu machen, setzte sich auf eine knarrende Bank in der Ecke und fing an, seine Lügen einzustudieren.
    Er wusste nicht, ob sie wirklich kommen würden, aber er musste hoffen. Und wenn seine Hoffnung irgendetwas wert sein sollte, musste er planen.
    Als Albric seinen zweiten Becher Wein leerte, kannte er die Umrisse seiner Geschichte. Der Wahrheit nahe genug, um ihn zu schützen, weit genug davon entfernt, um seinen Lord zu schützen, und alles so zurechtgebogen, dass es ihren Untergang bedeutete.
    Danach ging es nur noch darum zu warten.
    Gerade zum Beginn der Sonnenuntergangsgebete betrat er die Taverne Tänzer und Trommel und betrank sich während der Gebete. Es hatte eine Zeit gegeben, und sie lag nicht allzu weit zurück, da hatte Albric dreimal am Tag gebetet. Seit der Begegnung mit Severine war er unwürdig, unter den wahren Gläubigen zu stehen; daher verbarg er sich vor dem Sonnenlicht und trank. Wenn es ihm gelang, die Welt von Severine zu reinigen, konnte er vielleicht wieder der Göttin unter die Augen treten … Aber selbst wenn nicht, bliebe ihm die tröstliche Gewissheit, dass er es versucht hatte. Dass er sich nicht bloß als Schachfigur einer Dornenlady hatte benutzen lassen.
    Die Sonnenuntergangsgebete waren zu Ende. Er merkte es an der plötzlichen Geschäftigkeit in den Straßen und am Zustrom von Neuankömmlingen in den oberen Schankräumen der Taverne. Der Hauptausschank befand sich im Erdgeschoss, und dort redeten und lachten die Menschen, und ein Musikantenquartett spielte. In die unteren Schankräume, feucht und schummrig und nur über eine schmale Holztreppe hinter dem Vordereingang zu erreichen, gingen die Leute bloß zum Trinken.
    Albric aß schwarzes Brot und billiges, durch das Einpökeln bleich gewordenes Fleisch. Es war so salzig, dass es ihm auf der Zunge brannte und sie austrocknete. Er wusste nicht, von welchem Tier es stammte; es war ihm auch ziemlich gleichgültig. Es sollte lediglich Ballast in seinem Magen sein, damit er noch mehr Bier trinken konnte.
    Er war bei seinem vierten Becher und mehr als halb betrunken, als sie eintrafen. Zwei gebeugte Gestalten, eingehüllt in Roben aus Sackleinen, die ihre Hände bedeckten und hinter ihnen über den Boden schleiften, humpelten sie auf den einsamen Tisch zu, an den Albric sich zum Trinken gesetzt hatte. Er musterte sie stirnrunzelnd und wollte sie schon wegschicken, da erspähte er die Spitze des Zopfs des Mädchens in der Kapuze und vernahm das leise Klimpern von Muschelschalen unter der Kapuze der anderen Gestalt.
    »Nun, nur zu, setzt Euch«, murmelte er.
    Sie nahmen bedächtig Platz und wählten Stühle, die in gleichem Abstand zu seinem standen, sodass der eine oder der andere jede heimliche Bewegung sehen konnte, die er vielleicht machen würde. Daher konnte er nicht den einen angreifen, ohne dem anderen den Rücken zuzuwenden. Albric grinste säuerlich, als er verstand, was sie taten. Er leerte seinen Becher und stand unsicher auf, um sich einen neuen zu holen. »Vertraut Ihr mir nicht?«
    »Würdet Ihr es tun?«, erwiderte das Mädchen. Der Verbrannte Ritter blieb stumm.
    »Oh, keine Frage, mein Urteil war immer sehr gut. Seht nur, wohin es mich gebracht hat.« Albric schnaubte so heftig, dass er beinahe den leeren Becher fallen gelassen hätte. »Wollt Ihr auch etwas? Das Brot besteht halb aus Sägespänen, die Wurst ist wahrscheinlich aus Gästen gemacht, die nicht pünktlich ihre Rechnung bezahlt haben, und ich würde den Wein Schweinepisse nennen, wenn das nicht eine Beleidigung für die Tiere wäre. Aber das

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