Der Krieger und der Prinz
unheilverkündend wie das Läuten einer Totenglocke. Er sah die Dornenlady lächeln.
Eine plötzliche Kälte ergriff ihn und strich ihm mit eisigen Fingern über den Rücken. Was hatte er getan? Was hatte er in der vergangenen Nacht gesagt? Er konnte sich nicht genau erinnern, nicht an den genauen Wortlaut, und verfluchte das Bier, das er an jenem Tag getrunken hatte.
»Ich könnte mich fragen«, sagte Severine – und jetzt sprach sie in triumphierender Gewissheit – »ob Ihr sie mehr liebt, als Ihr Eure Göttin liebt, und ob Ihr daher Euer Gelübde gebrochen habt.«
Das Licht erlosch.
Und Albric heulte, ein wortloser Schrei der Angst und des Hasses und des Zorns auf sich selbst, weil er zu lange gewartet hatte, und er schwang mit beiden Händen sein Schwert und stürzte sich auf die Dornenlady.
Schatten rissen seine Klinge zur Seite. Sie stiegen aus den Falten ihrer Robe und packten seinen Stahl mit Ranken aus Dunkelheit, zu massiv, um wirklich zu sein, und lenkten den mörderischen Hieb besser als jeder Schild von ihr ab. Albric taumelte und verlor das Gleichgewicht. Sein Fuß rutschte in dem zertrampelten Schnee unter ihm weg, und er fiel auf ein Knie.
Bei seinem Angriff fuhr die Dornenlady herum, das bleiche Gesicht verzerrt von Hass. In ihrem Auge – ihrem gesunden Auge, ihrem echten – sah er einen Zorn, der dem seinen gleichkam, sowie einen Schimmer von etwas, das Furcht gewesen sein konnte. Sie hob ihre verstümmelte Hand wie eine wütende Katze, die eine Pfote zurückzog, obwohl er weit außerhalb ihrer Reichweite war, und dann schien sie sich zusammenzureißen.
»Tötet ihn«, fauchte Severine und wandte sich wieder ihrer wahren Beute zu.
Die letzten Ghulhunde sprangen auf ihre Aufforderung hin los. Beide waren schwer verletzt, die Krallen zu vergilbten Haken an skelettartigen Pfoten geworden, aber sie wurden nicht langsamer, und sie waren immer noch kräftig genug, Albric das Fleisch von den Knochen zu reißen. Und obwohl der Verbrannte Ritter sich ihnen gestellt und sie mit Celestias heiliger Macht getötet hatte, hatte Albric nur Stahl in den Händen, und davor fürchteten sich die Ghaole nicht im Geringsten.
Er sandte ein Gebet für Kelland gen Himmel, stumm und von Herzen kommend, und dann waren sie über ihm, und seine Welt schrumpfte auf einen kleinen Winkel der schneebedeckten Lichtung zusammen, unter sich das vergossene Blut des Fuchses und im Wind die Asche des verbrannten Fleischs.
Es war so ganz anders als ein Turnier am Schwerttag. In seiner Jugend hatte Albric es mit vier Herausforderern aufgenommen, mit fünf, und sie geschickt bezwungen – aber das war auf festgestampftem Boden gewesen, gegen lebende Männer mit stumpfen Klingen, und es hatte lediglich Stolz auf dem Spiel gestanden. Heute war er fünfzehn Jahre älter, und er kämpfte auf schlüpfrigem Schnee und rutschigem Laub, gegen unmenschliche Kreaturen mit Klauen und Reißzähnen und unheiliger Schnelligkeit.
Er kämpfte nicht aus Stolz. Auch nicht um sein Leben; das hatte er längst aufgegeben. Er kämpfte um Kellands Leben, und um Mirris. Er kämpfte um die Hoffnung, dass aus Leferics Herrschaft in Bullenmark etwas Gutes erwüchse, und um die Möglichkeit, dass sein Herrschaftsgebiet endlich zu etwas Größerem wurde als einer vom Krieg zerrissenen, armen Grenzburg.
Dafür musste er siegen.
Einer der Ghulhunde wollte ihm die Kehle aufreißen. Albric wich zur Seite aus und schwang das rasiermesserscharfe Schwert in einem Bogen nach unten. Die Läufe des Ghaole waren bereits von Celestias Sonnenfeuer bis auf den Knochen verbrannt; Albrics Klinge trennte den einen am Gelenk ab, und der andere baumelte lediglich noch an seinen Sehnen. Mit einem Aufschrei zog der Ghaole die blutleeren Stümpfe ruckartig weg. Albric nutzt den Schwung aus, brachte das Schwert herum und hieb seinem Gegner in den Oberschenkel. Der Ghaole stolperte und fiel, und Albrics nächster Schlag trennte ihm den heulenden Kopf vom Rumpf.
Sein Seitenschritt hatte ihn jedoch in die Reichweite des nächsten Ghulhunds gebracht, und Albric konnte nicht beiden gleichzeitig ausweichen. Der zweite warf sich gegen seinen Schild und riss ihm die Seite auf; das Gefühl war ein ungläubiges Kribbeln, als die Krallen der Kreatur kratzend erst über seine Rippen strichen und sich dann tiefer hineinbohrten. Daraufhin warf das Geschöpf das Gesicht herum und wollte zubeißen, aber Albric rammte ihm den Ellbogen gegen die Nase, drückte ihm den brüchigen, toten
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