Der Krieger und der Prinz
Irgendwo zwischen den Zelten kam ein gescheckter Hund hervor und trottete kläffend hinter Bitharns und Kellands Pferden her.
Der Hund war aber nicht der Einzige, der sich für sie interessierte. Wo die Celestianer auch hingingen, da drehten sich Köpfe in ihre Richtung.
Nicht sie war der Grund hierfür, das wusste Bitharn. Wie seltsam es auch war, eine Frau in Jägerkleidung zu sehen, die einen Eibenbogen auf dem Rücken trug, so war sie doch neben ihrem Gefährten absolut nicht bemerkenswert.
Kelland hatte das Blut von Nebaioth. Er wusste ebenso wenig wie Bitharn, wer seine Eltern waren, aber sie hatten ihm das Vermächtnis dieses Landes hinterlassen. Nebaioth, fern im Süden, wo angeblich die Sonne niemals unterging und die Hitze endloser Tage seine Bewohner schwarz wie Kohle färbte. Nebaioth, das Land der perlenübersäten Strände und rotgefiederten Löwen, wo Seeleute aus den nördlichen Reichen nur eine einzige, von Mauern umringte Stadt betreten durften und, wenn sie dieses Verbot missachteten, ohne viel Federlesens erschlagen wurden.
Es war ein seltsamer, exotischer Ort, mehr Legende als Land. Kelland hatte ihn nie gesehen. Er hatte sein gesamtes Leben innerhalb der schützenden Mauern von Cailans Kuppel verbracht, hatte in ihrer goldenen Kathedrale gebetet und sich in ihren marmornen Höfen im Schwertkampf geübt. Aber seine Haut war dunkelbraun wie Vehrholz, sein Haar pechschwarz und zäh wie Draht. Er trug es in strammen, glatten Zöpfen, und jeder einzelne Zopf war mit einer weißen Kaurischnecke versehen. Bitharn hatte ein Buch gefunden, demzufolge nebaithenische Krieger ihr Haar in solchen Zöpfen trugen, und Bücher waren die einzige Quelle, aus denen sie ihr Wissen über jenes Land schöpfen konnte.
Bücher und Aberglauben. Wo immer sie hinkamen, glaubten die Menschen, dass Kellands Blut seine Magie stärker mache. Sie nannten ihn den Verbrannten Ritter. Es war ein Name, den Kelland niemals für sich selbst benutzte, aber loswerden konnte er ihn auch nicht. Die Macht der Sonne war Teil seines Erbes, behauptete das gemeine Volk; natürlich war er einer von Celestias Gesegneten. Sie bettelten um seinen Segen und unterwarfen sich seiner Weisheit, selbst wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wie die richtige Antwort lauten mochte.
Anfangs hatten ihn die Reaktionen des gemeinen Volkes überrascht und verlegen gemacht – in Cailan war er lediglich einer von vielen Rittern der Sonne gewesen, begabt, jedoch nicht außergewöhnlich begabt –, aber im Laufe der Jahre hatte Kelland sich damit abgefunden. Sein Äußeres war ein weiteres Werkzeug, das er für den Dienst an seiner Göttin einsetzen konnte. Nicht mehr, nicht weniger.
Das einzigartige Aussehen des Verbrannten Ritters war einer der Gründe, warum man sie nach Langmyr geschickt hatte, argwöhnte Bitharn. Der Hohe Solaros hatte es niemals ausgesprochen, aber es war nicht schwer, die Zeichen zu deuten.
Jahrzehntelang hatte der celestianische Glaube versucht, den Zyklus aus Blutvergießen zwischen Eichenharn und Langmyr zu durchbrechen. Mit dem Aufstieg Ang’artas und seinen Türmen der Dornen war die Dringlichkeit hierzu immer größer geworden; von inneren Fehden geschwächte Königreiche waren leichte Beute für die Eisenlords. Doch es war nicht einfach, Männer von ihrem alten Hass abzubringen, selbst mit einem neuen Feind vor der Tür. Die Erleuchteten konnten, sooft sie wollten, von den blutigen Lektionen sprechen, die die Geschichte ihrem Land erteilt hatte, und die Ritter der Sonne konnten über die taktische Sinnlosigkeit von Eroberungen auf der anderen Flussseite reden, bis sie blau im Gesicht anliefen, aber sie konnten niemanden dazu zwingen , ihnen zuzuhören . Der Tempel hatte kein wirkliches Recht, sich in die Angelegenheiten der Grenzlords einzumischen, und wenn sie eine Seite begünstigten, würden sie sich der anderen entfremden.
Tatsächlich konnten sie nicht mehr tun, als unmittelbare Konflikte zu schlichten und darauf zu hoffen, dass die Zeit die Blutgier beider Seiten abkühlte. Das, so dachte Bitharn, war der Grund, warum sie hier waren. Celestias Gesegnete waren eine lebende Erinnerung an ihre moralische und magische Kraft, und der Verbrannte Ritter war eine deutlichere Erinnerung als die meisten.
Er war ein Symbol. Es war keine Rolle, die ihm gefiel – Kelland war immer vor der Bewunderung des gemeinen Volkes zurückgeschreckt, was Bitharn mit einer Mischung aus Erheiterung und Verständnislosigkeit beobachtete
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