Der Krieger und der Prinz
überhaupt nicht hier vorbeigekommen, oder es waren keine Söldner gewesen.
Brys dachte nicht gern über diese Möglichkeit nach. Wenn es keine Söldner gewesen waren, die dieses Massaker angerichtet hatten, sondern gewöhnliche Soldaten Ang’artas, die auf Befehl ihres Lordkommandanten gehandelt hatten …
»Merkwürdig inwiefern?« Merrygold gab ein kleines Lachen von sich, das nicht bis zu ihren Augen reichte. »Sie sind alle merkwürdig. Einige der Dinge, die diese Männer aus Seewacht mögen …«
»Merkwürdig auf eine Art und Weise, die mich interessieren würde.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, und einen Moment lang dachte Brys, sie würde leugnen, irgendetwas zu wissen, aber nach einem langen Zögern nickte sie schließlich. »Vor ungefähr zehn Tagen hat eine ganze Kompanie freier Söldner hier haltgemacht. Sie haben mit gutem Silber bezahlt. Haben alle meine Mädchen für die ganze Nacht verlangt. Einige von ihnen … einige von ihnen waren etwas grob, aber sie haben keinen dauerhaften Schaden angerichtet.«
»Daran ist nichts merkwürdig«, sagte Brys. »Es ist die richtige Jahreszeit dafür. Mir fällt zwischen Felsenhügel und Schwarzast keine bessere Möglichkeit ein, Silber auszugeben.«
»Ihr seid zu freundlich«, erwiderte Merrygold mit einem winzigen Anflug von Bissigkeit. »Das Seltsame ist, dass keiner von ihnen verletzt war. Die gesamte Kompanie hatte kaum einen Kratzer aufzuweisen.«
»Dann stammte das Silber nicht aus den Gewinnen vom Schwerttag.« Ein einzelner Kämpfer, wenn er talentiert und gut gepanzert war und Glück hatte, konnte unversehrt aus einem Nahkampf am Schwerttag hervorgehen … Aber eine Kompanie, wie gut sie auch sein mochte, entkam niemals, ohne dass die Hälfte ihrer Männer Prellungen und mindestens einer schwere Verletzungen aufzuweisen hatte.
»Nein.« Sie zögerte abermals, diesmal noch länger. »Sie waren außerdem gebrandmarkt.«
Eine Last, von der Brys gar nicht gewusst hatte, dass sie auf seinen Schultern lag, schien von ihm abzufallen. An ihre Stelle trat etwas Kälteres, Vertrauteres: der Drang zu töten. »Eisenkrone?«
»Eisenkrone.«
»Habt Ihr ihre Dorne gesehen?«
»Sie hatten eine Dorne?« Merrygolds kunstvoll bemalte Augen weiteten sich. Als er nickte, fluchte sie vehement und ausführlich. »Nein, keine Dorne. Nur die Männer sind hierhergekommen. Und auch nur für eine Nacht; am nächsten Tag sind sie wieder aufgebrochen.«
»Wisst Ihr, wohin sie gegangen sind?«
»Nein. Ich dachte, Ihr hättet gesagt, es ginge nicht um Veladi.«
»Geht es auch nicht.« Was zum größten Teil der Wahrheit entsprach. Er hatte die Baoziten gehasst, lange bevor er ihnen zum ersten Mal begegnet war. Veladi war nur ein weiterer Kieselstein auf dem Berg ihrer Sünden. »Es geht um Weidenfeld.«
»Weidenfeld?« Sie machte sich nicht die Mühe, ihre geringschätzige Ungläubigkeit zu verbergen. »Wollt Ihr mir sagen, dass Brys Tarnell sich um den toten Sohn irgendeines Lords schert?«
Brys zuckte die Achseln. »Galefrid war ein guter Arbeitgeber. Er hat mich zum Ritter gemacht.«
»Oh, er hat Euch zum Ritter gemacht. Natürlich. Selbstverständlich solltet Ihr deshalb den Wunsch verspüren, seinen Tod zu rächen.«
»Sie haben versucht, auch mich zu töten. Erfolglos. Was allerdings nicht bedeutet, dass ich geneigt bin, ihnen den Versuch zu verzeihen.«
»Dass es Baoziten sind, hat natürlich überhaupt nichts damit zu tun.« Merrygold verzog das Gesicht. Irgendwie war selbst diese Regung bei ihr schön. »Nein, versucht nicht, es zu leugnen. Ich höre auch so schon genug Lügen von Männern.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar, ohne darauf zu achten, dass sie womöglich die sorgfältig arrangierten Locken zerstörte. »Einer von ihnen … einer ihrer Freunde ist zurückgeblieben.«
Brys spannte die Muskeln. »Wo? Hier?«
»Er wohnt nicht hier. Er kommt von Zeit zu Zeit zu Besuch.« Sie sah ihm ins Gesicht und zuckte zusammen. »Ich will keine Morde in der Nähe meines Hauses. Kein Blut, keine Verbindung zu mir. Das ist schlecht fürs Geschäft. Versprecht mir das, und ich werde Euch, wenn er das nächste Mal kommt, auf ihn aufmerksam machen.«
»Merrygold, ich könnte Euch küssen.«
»Dafür habt Ihr nicht genug bezahlt.« Sie schloss die Tür auf und winkte ihn hinaus. »Geht, geht. Lasst Euch nicht umbringen. Veladi hat eine Zuneigung zu Euch gefasst, aus Gründen, die ich niemals verstehen werde, und es würde mir sehr missfallen, ihr
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