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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Gesegneten ihre Gebete. In Ardashir begannen Kurtisanen ihre Ausbildung in der frühen Kindheit und wurden als Künstlerinnen betrachtet, die zu ehren waren, nicht als Huren, die man benutzte. Selbst Mädchen aus vornehmen Familien ließen sich in den Kamelienhäusern ausbilden; für die Ardashir war es ein normaler und notwendiger Aspekt verfeinerter Weiblichkeit, und sie schauten auf jene herab, die ihre Wertschätzung der Sinne nicht kultivierten.
    Diese Einstellung unterschied sich erheblich von der in den Sonnengefallenen Königreichen, aber Merrygold hatte ihr Bestes gegeben, sich mit den Symbolen ihres Heimatlandes auszurüsten. An manchen Stellen hatte sie dazu auf kleinere Betrügereien zurückgegriffen. Die Kamelien sahen exotisch aus, aber sie stammten aus dem Süden Thelyands und waren auf holpernden Wagen hierhergebracht worden und nicht auf Amralis’ Schiffen mit dem weißen Bug. Das vergoldete Gitterwerk an ihrer Tür schien eines ardasischen Palastes würdig zu sein, aber es war von einem einheimischen Künstler nach ihren Zeichnungen geschnitzt worden, nicht von einem verhutzelten khartolischen Meister. Wahrscheinlich hatte sie noch hundert andere Dinge gefälscht, von denen Brys nichts wusste.
    Trotzdem musste er zugeben, dass die Wirkung beeindruckend war. Jeder Aspekt ihres Hauses und ihrer Person war darauf bedacht, Wohlstand und Raffinesse zu vermitteln, was ihre Besucher auf merkwürdige Weise einschüchterte. Hartgesottene Mörder, die vor Merrygolds Tür traten, schüttelten den Staub von ihren Stiefeln und kämmten sich ordentlich das Haar. Edelleute hofierten sie lebhafter als ihre eigenen Bräute. Jene, denen der Sinn nicht danach stand, ihrem faszinierenden Kreis beizutreten, behandelten sie dennoch mit argwöhnischem Respekt, weil so viele andere es taten, und so übte sie ein gewisses Maß an Macht über ihre Gäste aus.
    Es war ein langer, seltsamer Weg, der Mistress Merrygold von den wohlriechenden Kamelienhäusern Ardashirs in dieses grobschlächtige nördliche Königreich geführt hatte. Sie war in Tarnebrück so fehl am Platz wie ein Schwan in einem Schweinestall, und Brys hätte nie gedacht, dass sie länger in Eichenharn bleiben würde, doch sie war nach wie vor hier, und ihr Geschäft blühte.
    Trotz der späten Stunde sickerten Musik und Gelächter durch die rautenförmigen Fenster von Mistress Merrygolds Haus. Ein junger Wachmann mit einer roten Schärpe stand zitternd draußen vor ihrer Tür. Die rote Schärpe war ein weiteres Zeichen ihrer Herkunft; Wachposten in den Kamelienhäusern trugen sie und nicht viel mehr. Mit Rücksicht auf das nördliche Klima genehmigte Merrygold ihren Wachen zusätzliche lederne und wollene Umhänge, aber die Schärpen mussten sie tragen, damit klargestellt war, dass es sich bei ihrem Haus um kein gewöhnliches Bordell handelte.
    »Ist Merrygold heute Nacht da?«, fragte Brys den Wachposten.
    Der junge Mann versteifte sich, dann nickte er. Er war ungefähr zwanzig, sehr gut aussehend und offensichtlich vernarrt in seine Herrin. Merrygold kannte keine Scham, wenn es darum ging, hübsche junge Männer zur »Ausbildung« zu sich zu nehmen, und Brys konnte ihr wirklich keinen echten Vorwurf daraus machen. Es war billiger, als ihnen Löhne zu zahlen, und es gab schlimmere Arten, wie ein Mann ein oder zwei Jahre seiner Jugend zubringen konnte.
    »Gut«, sagte er und drängte sich an dem Mann vorbei. Auf halbem Wege durch die Tür hielt er inne und drehte sich noch einmal um. »Falls jemand mich suchen kommt, dann hol mich. Lass ihn nicht herein. Ich würde ihre hübschen Teppiche nicht gern mit Blut besudeln.«
    Der junge Wachposten blinzelte und nickte abermals, sichtlich erschrocken, aber Brys war bereits im Haus.
    Ein halbes Dutzend junger Frauen in durchscheinenden Seidengewändern und mit funkelnden, gläsernen Schmuckstücken schlenderte in Merrygolds Salon umher. Zwei von ihnen neckten zwei junge Ritter, deren Medaillons das Zeichen des schwarzen Bullen Lord Ossarics zeigten. Eine andere spielte mit einem dicklichen Mann Karten, der alt genug war, um ihr Vater zu sein, während eine vierte träge, melodische Akkorde auf einer silbernen Harfe in der Ecke anschlug und träumerische Blicke auf einen mürrischen Händler aus Seewacht warf, der von Kopf bis Fuß in triste, schwarze Wolle gekleidet war. Der Händler lächelte kein einziges Mal, trotz der entzückend geringen Bekleidung des Mädchens, aber er war scharlachrot bis zu den

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