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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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hatte, und besser als manche, die sie dort erlebt hatte. Das hier hätte ein Leben für sie sein können, und dazu ein gutes: sicher, warm, einladend. Sie verspürte echtes Bedauern darüber, das hinter sich lassen zu müssen. Aber sie konnte nicht schreiben, und Brys hätte sie verspottet, hätte sie ihn gebeten, für sie einen Brief zu schreiben, außerdem hatte sie keine Zeit übrig für den Luxus von Trauer.
    Leise durchquerte sie die leere Küche und ging die Treppe hinauf, die Kinder zu holen.

12
    Das Problem bei den Toten, befand Albric, bestand darin, dass auch ihr Gehirn tot war. Welche Magie auch immer ihre Körper belebte und Atem in ihre Lungen zurückfließen ließ, sie bewirkte absolut nichts, wenn es um die Wiederbelebung ihres Geistes ging. Das war der einzige Grund – der einzige Grund –, warum er hier auf der nackten Ladefläche eines Wagens saß, sich die Eier abfror und darauf wartete, dass der von den Göttern verfluchte Bäcker seinen Laden verließ.
    Sie hatten das Mädchen gehabt. Sie hatten das Mädchen gehabt, den falschen Ritter und das Kind – dieses hilflose, schutzlose, tödliche Kind. Alle drei vollkommen ahnungslos. Man hätte sie bloß noch zu pflücken brauchen.
    Sie hatten Wochen benötigt, ihrem Ziel so nahe zu kommen. Wochen, in denen sie Hände geschmiert und Getränke ausgegeben und Interesse an Idioten geheuchelt hatten, die mit ihrer »Tapferkeit« auf der anderen Seite der Grenze geprahlt hatten, und all das hatte ihnen so viel eingebracht wie ein Messer, das sie in einen unbewaffneten Kleinbauern gestoßen hatten, bevor sie seine Hütte niederbrannten. Wochen, in denen Albric sich gefragt hatte, ob die Dornenlady nicht doch etwas anderes vorhatte, als sich zurückzuhalten und zuzusehen, wie er die Arbeit tat, für die sein Lord sie bezahlt hatte.
    Aber endlich hatten sie ihr Opfer gefunden: ein schwarzhaariger Söldner mit einem Baby, dessen Identität das Mädchen mit dem langmyrnischen Akzent bestätigt hatte; das Mädchen, von dem es hieß, es kümmere sich um dieses Kind. Die meisten von Albrics Quellen hielten das Mädchen für eine Dirne, die ihr Soldatenliebster abgestoßen hatte, nachdem sie ihn zu langweilen begonnen hatte – und das wahre Wunder, so sagten die Leute, bestehe darin, dass er überhaupt ein so hässliches Frauenzimmer in sein Bett genommen hatte.
    Albric wusste es besser. Er wusste, was sie war, wenn auch nicht genau, wer, und er wusste, wer dieses Baby sein musste. Wistan. Sie waren so nah dran gewesen, und es machte ihn furchtbar wütend.
    Das Mädchen war hier gewesen und hatte in dieser Bäckerei gelebt, war jeden Tag mit denselben Körben durch dieselben Türen gegangen. Es wäre das Einfachste auf der Welt gewesen, sie zu packen und wegzubringen. Sie hätten ihr nicht einmal etwas anzutun brauchen; sie hätten sich das Baby greifen können, während sie fort war, und ihr wäre kein Haar gekrümmt worden. Sie war Bäckerin gewesen. Bäcker begannen ihre Runden in aller Frühe, eher in der Nacht als am Morgen. Keine Menschenseele wäre wach gewesen und hätte die Tat mit angesehen, noch hätte das Licht auch nur einer einzigen Kerze irgendetwas verraten. Ein Schwachsinniger hätte die Aufgabe erledigen können.
    Aber die Götter hatten bestimmt, dass nichts in Albrics Leben einfach sein sollte, und so hatte Severines gehirnverfaulter Hund sie aus Tarnebrück vertrieben, statt eine saubere kleine Entführung durchzuführen.
    Er wusste, warum es geschehen war, obwohl das seinem Ärger keinen Abbruch tat. Tarnebrück lag in Leferics Domäne, und der kampfbereite Lord von Bullenmark konnte es sich kaum leisten, dass derjenige seiner Diener, dem er am meisten vertraute, aus einer Laune heraus seine eigenen Untertanen entführte und tötete. Leferic hatte strenge Anweisungen gegeben, dass sie die Zahl der Opfer gering halten sollten – und weil der Dornenlady die Zahl der Opfer gleichgültig war, war das ein weiser Befehl. Also hatten sie beschlossen, das Bäckermädchen nicht zu ergreifen, bevor sie genau wussten, dass sie das richtige Bäckermädchen hatten, und das hatte sie in diesen elenden, schweinemäßigen Schlamassel geführt.
    Zumindest wollte er an diesen Grund glauben. Möglich war auch, dass die Dornenlady sie absichtlich aus der Sicherheit der Stadt hinaustreiben wollte. Man konnte nicht gut ganz Tarnebrück mit einem Blutnebel belegen oder Ghulhunde auf ein Gasthaus voller Menschen loslassen. Aber auf der Straße, wenn niemand

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