Der Krieger und der Prinz
verhedderte und von Neuem beginnen musste. Als sie versuchte, die Ausstrahlung des Fremden in Worte zu fassen, erschien es ihr lächerlich, so töricht, als sei sie zu ihm gekommen, um wegen einer verdorbenen Pastete zu weinen, und sie erwartete halb, dass Brys sie unterbrechen und ihr sagen würde, sie solle aufhören, sich so dumm zu benehmen. Aber er unterbrach sie nicht, und er lachte nicht, und als sie mit ihrem Bericht zum Ende kam, war seine Miene ernst.
»Er hat nach Aubry gefragt?«
»Ja«, bestätigte Odosse, dann schüttelte sie den Kopf, um sich zu korrigieren. »Er hat nach dem Baby gefragt. Einen Namen hat er nicht benutzt.«
»Aber es war Aubry.«
»Nun, ja. Ich kann Wistan nicht mit nach draußen nehmen. Er ist zu schwach.«
»Und er hat gefragt, ob du allein bist?«
»Ja. Ich habe gesagt, ich bin allein. Es ist … es ist fast wahr«, meinte sie ausweichend, »aber vor allem hatte ich Angst, dass er dich in die Angelegenheit hineinziehen würde oder Mathas. Die Jungen in meinem Dorf haben nichts lieber getan, als meine Freunde in ihre Streiche mit einzubeziehen. Und ich hatte Angst vor ihm. Also habe ich gelogen.«
»Erinnere mich daran, dankbar für kindliche Grausamkeiten zu sein. Zumindest für die anderer Leute.« Brys schloss den Brotbeutel, den sie ihm gegeben hatte, und knotete ihn zu. Er warf keinen Blick hinein. »Erzähl mir noch einmal, wie er ausgesehen hat.«
»Blond. Sehr gut aussehend. Ein wenig kleiner als du, ein wenig dünner. Jung. An die Farbe seiner Augen erinnere ich mich nicht. Nur an die Pupillen. Sie waren schwarz, so schwarz. Er hatte eine Narbe am Hals, gerade so groß wie ein Fingerabdruck, genau hier.« Odosse zeigte auf ihren eigenen Hals. »Er hatte etwas an sich … als wäre er von edler Geburt oder sogar von königlicher. Ich weiß nicht, warum ich das dachte – er hat kein Wort darüber verloren, dass er von hohem Geblüt wäre, und seine Kleider waren nicht besser als deine –, aber ich war mir dessen sicher. Dann habe ich ihn mir noch einmal angeschaut, und da habe ich gedacht, das ist ein Ungeheuer.«
»Du hast beim zweiten Mal recht gehabt. Ich kenne den Mann, und er ist tot.«
»Was? Aber ich habe mit ihm geredet …«
»Du hast mit der Marionette einer Dorne geredet.« Brys setzte sich aufs Bett und fuhr sich mit der Hand durch das schwarze Haar. Es war länger geworden; es drohte, ihm vorn über die Augen zu fallen. Er schien es nicht zu bemerken. Odosse hörte Ärger in seiner Stimme, dazu Furcht und etwas, das sie nicht recht benennen konnte. »Der Name des Jungen war Caedric Alsarring. Ich habe ihn in Weidenfeld sterben sehen. Er war der Erste, den sie getötet haben. Du hast mit einem Toten gesprochen, Mädchen, und wir müssen aus dieser Stadt verschwinden.«
»Ist es hier nicht sicherer? Es gibt Wachen …«
»Wachen werden sie nicht aufhalten. Mauern werden sie nicht aufhalten. Du kannst Nebel nicht aussperren, und nicht einmal der stärkste geschmiedete Schild wird einen Zauber aufhalten. Die Dornenlady kann nicht mehr als einen Tag hinter ihrer Marionette sein, und sie weiß, dass wir hier sind, oder vermutet es. Also danke der Strahlenden, dass die Dornenlady versucht hat, einen Zauber bei einem hässlichen Mädchen zu wirken, und lass uns sofort von hier verschwinden.«
»Aber was ist mit Wistan?«, fragte Odosse, zu erregt, als dass ihr die Kränkung etwas ausgemacht hätte. »Er ist so zerbrechlich, und es ist so kalt. Er wird sterben, Brys.«
»Vielleicht. Aber wenn wir nicht gehen, werden wir alle sterben. Bring das Baby in Gefahr oder stirb selbst, es ist deine Entscheidung. So oder so, ich werde vor dem Morgengrauen aufbrechen.«
Die Eindringlichkeit, die sie in den grünen Augen des Söldners sah, überzeugte sie ebenso sehr wie alles, was er gesagt hatte. »In Ordnung«, erwiderte Odosse geschlagen. »Gib mir eine Stunde, damit ich packen und die Babys versorgen kann.«
»Wir treffen uns am Südtor. Eine Stunde, nicht länger. Oder ich breche ohne dich auf.«
Es war später Nachmittag, als Odosse in die Bäckerei zurückkehrte. Mathas schlief, wie immer; er würde gegen Mitternacht aufwachen, um das Brot für den nächsten Morgen vorzubereiten. Sie wünschte, sie hätte dem Bäcker einen Brief hinterlassen, ihm für seine Freundlichkeit danken und sich für ihr plötzliches Verschwinden entschuldigen können. Die Tage, die sie für ihn gearbeitet hatte, waren die glücklichsten gewesen, seit sie Weidenfeld verlassen
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