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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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für seine Kompanie ...“ Ich biss mir auf die Zunge und zuckte wieder geheimnisvoll die Achseln.
    „Aber könnte es nicht doch sein, dass Sie ...“, reizte sie weiter. Es wurde langsam öde. Ich hatte das Gefühl, es sei höchste Zeit, uns an den eigentlichen Zweck unseres Zusammenseins zu erinnern; also gab ich unserer Unterhaltung einen deutlichen Stoß in eine Richtung, die mir schon wesentlich besser gefiel.
    „Aber mein Herr“, rief meine Gastgeberin, und ihre Stimme kippte dabei über in einen schrillen Ton. „Wie können Sie gleichzeitig ...“, krächzte sie und schnellte mit ihrem Kopf hoch, um nachzusehen, was sie nicht glauben konnte. Bevor sie jedoch ihr Augenmerk auf etwas richten konnte, was ihr Aufklärung verschafft hätte, nötigte ich sie mit einem sanften Kuss auf ihre Stirn zurück in die vorherige Position.
    „Lassen Sie die technischen Details meine Sorge sein“, sagte ich, während ihr Körper sich erneut aufbäumen wollte.
    „Aber wie ist das möglich?“, fragte sie, diesmal nicht mehr schreckhaft, sondern mit dem raschen Aufblühen eines Entzückens. „Wie machen Sie das nur?“
    „Ingenium, Madame.“
    Es sollte ein äußerst netter Abend werden, obgleich ich ihn später bereuen sollte.

Sokrates Royle
    Der beste Club der Stadt
    And, sir, when we think of eternity, and of the future consequences of all human conduct, what is there in this life that should make any man contradict the dictates of his conscience, the principles of justice, the laws of religion, and of God?
    – William Wilberforce
    D ie Silhouette Londons schälte sich langsam aus dem morgendlichen Nebel heraus. Ich stand an der Steuerbord-Reling unseres Dampfers, der sich langsam die Themse hinaufquälte. Schon als wir von der Straße von Dover in die Themsemündung eingebogen waren, war der Kapitän auf halbe Kraft heruntergegangen. Für meinen Geschmack fuhr er viel zu verhalten und vorsichtig, gerade so, als erwartete er, auf nicht kartographierte Untiefen zu stoßen. Das war natürlich absurd, aber es war nicht an mir, den Kapitän zu verbessern, noch nicht einmal in Gedanken.
    Ich betrachtete die größte Stadt der Welt, wie sie den Nebel mit Smog verdrängte. Millionen von Menschen, die Großteile des Reichtums des Planeten auf sich vereinten. London war der Nabel der Welt, das Zentrum abendländischer Kultur und doch ein einziges ungeheures Dreckloch.
    Ich fragte mich, was mir das Heimkehren bedeutete, und stellte fest, dass ich nicht wusste, wie ich mir diese Frage beantworten sollte. Natürlich freute ich mich auf Daheim. Aber andererseits ...
    „Ich frage mich, ob ich nicht Branca hätte mitnehmen sollen.“
    Wymers Bemerkung riss mich aus meinen Gedanken.
    „Branca?“, fragte ich. Der Name klang zwar vertraut, aber ich konnte ihn im Moment nicht einordnen.
    „Sicher, Branca ... die Kleine aus dieser Sambaschule. Die hat mir ziemlich gut gefallen, das weißt du doch.“
    Nun wusste ich wieder, wer gemeint war. In dieser Sambaschule, die Wymer und ich besucht hatten, war es nicht ums Tanzen gegangen, auch wenn die Damen dort, wie richtige Sambatänzerinnen, wirklich viel mit der Hüfte arbeiteten.
    „Du hättest eine Mulattin nach London mitbringen wollen, nur weil sie wusste, wie man deinem kleinen Wymer den Dampfdruck reduziert?“
    „Sie war auch sonst recht gut. Die Frauen dort wissen, wie man einen Mann verwöhnt. Sie hätte mir Frühstück gemacht ...“
    „Mit Früchten und Kaffee statt Toast und Tee.“
    „Sie hätte meine Wohnung geputzt ...“
    „Ja, und alles gestohlen, was nicht festgenagelt ist.“
    „Jedenfalls hätte es mir gefallen, ihr London zu zeigen. Diese armen Leute in Rio haben keine Vorstellung davon, wo das Herz der Zivilisation schlägt. Dann hätte ich sie ausgeführt und wäre mit ihr ins Theater gegangen, in die Oper und in den Club.“
    „Du hättest eine Hure aus Rio in den Club mitgenommen? Eine schwarze Sambatänzerin, eine Mulattin, die noch nicht mal eine richtige Sambatänzerin war?“ Ich war einerseits schockiert, andererseits wusste ich nicht, ob Wymer das überhaupt ernst gemeint hatte. Es war ihm zwar fast alles zuzutrauen, aber es gefiel ihm auch sehr, die Leute auf den Arm zu nehmen.
    Wymer drehte sich um und sah die Themse hinab Richtung Meer, dahin, wo wir gerade hergekommen waren. „Nein, vermutlich nicht. Bestimmt nicht. Ich wollte nur mit dem Gedanken spielen. Immerhin wartet auf mich daheim niemand. Meine Wohnung ist leer, mein Bett ist kalt.“

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