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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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zielstrebigem Zickzack auf die Tür in meiner Nähe zu. Wie durch magische Kraft kam die Bewegung der Gruppe dort auch zum Erliegen, und nicht lange, da verabschiedete sich die Schöne unter allgemeinem Gelächter durch die Tür. Es dauerte wiederum nicht lange, da kam sie wieder heraus, sichtlich enerviert, doch bevor sie sich etwas anderem widmen konnte, war ich auch schon hinzugesprungen und drängte mich zwischen sie und die Männer.
    „Ah, wie schön, Sie wiederzusehen, Madame“, rief ich in übertrieben erfreutem Tonfall aus.
    Sie schien einen kleinen Moment zu überlegen, vielleicht, welcher Sorte Bekanntschaft sie mich zuordnen sollte, dann lächelte sie um so mehr und sagte: „Die Freude ist ganz meinerseits, Mister ...“ Aus der Nähe sah sie noch besser aus. Viel besser. Nicht, dass ihr Aussehen alles gewesen wäre – generell ist das Aussehen bei Frauen nicht das Wichtigste –, doch in diesem Moment war, ach was, ihr Aussehen war wichtig, so wie es bei allen Frauen ist; nichts ist wichtiger – hinzu kam natürlich noch, dass sie mir mein Alibi verschaffen sollte. Ich sah ihr fest in die Augen und legte meine charmanteste Stimme auf.
    „Ovenhart. Frans Ovenhart. Sie haben meinen Namen noch nie gehört, da wir einander unbekannt sind. Mir ist nur keine bessere Art eingefallen, Sie anzusprechen“, sagte ich schmeichlerisch, während ich ihre Hand ergriff. Meine Erfahrung mit Frauen diesbezüglich war so: Zeigt man ihnen gleich am Anfang mit aller Deutlichkeit, dass es sich bei der Begegnung um ein Spiel handelt, ohrfeigen sie einen entweder voller Empörung, wenden sich ab und überlassen einen der Peinlichkeit der Blicke aller im Raum Versammelten; sie verstehen nicht, was das Spiel bedeuten soll und sind somit nicht würdig, dass man es mit ihnen spielt; oder sie spielen es mit – wenn sie wissen, wie man Spiele spielt. Sie wusste es.
    „Was wollen Sie von mir?“, fragte sie betont kühl. Welaan ! Ich zog sie an mich, küsste sie aber nicht auf den Handrücken, sondern direkt auf die Lippen, was sie in leichte Empörung versetzte.
    „Madame, ich kenne die Sitten Ihres schönen Landes nicht gut genug, um sie brechen zu können, also muss ich mich entgegen meiner eigenen Sitte verhalten. Ich muss die Nacht mit Ihnen verbringen, Madame, unbedingt, ich sage es ganz frei heraus“ – was noch nicht einmal gelogen war, höchstens nicht ganz korrekt, denn ich hätte wohl sagen sollen bei , nicht mit ihr. Aber ich wollte nicht Haare spalten, denn im Endeffekt ergab bei solchen Begebenheiten sowieso eines das andere, und das auf eine Weise, dass man nachher nicht mehr so leicht sagen kann, was wozu führte. „Ja, Sie haben mehr verdient als diese Gecken, mehr als einen kleinen Schmierenkomödianten.“
    „Die Nacht mit mir verbringen?“ entgegnete sie mit steinerner Miene. „Wie stellen Sie sich das bitte vor?“
    „Sehr schön, Madame, sehr schön.“
    Sie lachte. „Sie gefallen mir. Wie heißen Sie, Sie Original?“ Während sie das sagte, winkte sie bereits einem Angestellten an der Garderobe.
    „Ovenhart. Frans Ovenhart, wie ich bereits sagte.“
    „Was für ein drolliger Name. Deutscher?“
    „Die letzten Jahre verbrachte ich auf Sumatra, aber meine Heimat sind die Niederlande.“
    „Die Niederlande ... Windmühlen, nicht wahr?“ Sie sagte das mit einfältigem Lächeln. Der Garderobier war inzwischen zu uns gekommen und legte der Lächelnden einen Pelzmantel um. Sie beachtete ihn nicht, sondern schien ausschließlich darauf konzentriert, eine Antwort von mir zu erhalten, eine möglichst gewitzte.
    „Ja, und Käse“, erwiderte ich.
    Sie verstand meinen Wink. „Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit. Aber trotzdem – dieser Ernst. Fast patriotisch. Ein Militär, nehme ich an?“
    „Nein, Madame, institutionalisierte Gewalt liegt mir fern. Ich bin Ingenieur.“
    „Ah ja?“, sagte sie abwesend und drehte sich dem Ausgang zu. „Wer ich bin, wissen Sie ja.“
    Um ehrlich zu sein, wusste ich es nicht, aber allein die Tatsache, dass sie annahm, man müsse es wissen, genügte mir. Sie war die perfekte Kandidatin, anscheinend eine Berühmtheit, eine Mäzenin oder selbst Schauspielerin; vielleicht nicht einmal Engländerin, sondern aus Amerika, soweit ich die verschiedenen englische Dialekte zu unterscheiden imstande war. Doch egal, es genügte, dass sie in der Öffentlichkeit stand. Ich brauchte eine verbriefte Bestätigung, dass ich den Abend über nicht bei Sedgwick und seiner Frau

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