Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
Vom Netzwerk:
unter uns sind?“
    Ich musste mir eingestehen, dass ich mir diese Frage noch nicht gestellt hatte. „Weil wir es so machen“, sagte ich mit einem Achselzucken.
    „Richtig“, nickte Wymer. „Das ist meist die Begründung. Wir machen es so, weil wir es so machen.“
    Ich sah ein bisschen aus dem Fenster, während Wymer zu meinem Getrommel auf dem Spazierstock leise einen improvisierten Marsch pfiff.
    „Ich habe auch mal eine Frage“, wandte ich mich dann wieder an ihn. „Wir sind uns einig, dass wir gemäß unserer Ausbildung auf unseren Missionen praktisch immer so eingesetzt werden, dass du als Bowler der ‚Observer ‘ bist und ich als Batsman die Aufgaben erfülle, die das Dienstbuch dem ‚Bouncer ‘ vorschreibt, richtig?“
    Wymer nickte. „Das ist wohl so offensichtlich, dass man es nicht mehr betonen muss.“
    „Warum entgeht es dir dann, wenn wir in kaum mehr als zehn Fuß Entfernung am Longman Bookstore vorbeifahren und die Kutsche nicht anhält?“, fragte ich und musste sogar ein bisschen grinsen.
    „Verfluchter verpennter Kutscher!“, schimpfte Wymer und pochte mit der Faust gegen die Innenwand der Kutsche. „Halt an, Meister.“
    Die Kutsche hielt an, und Wymer hüpfte hinaus.
    „Also, wir sehen uns dann später oder morgen irgendwann zur Nachbesprechung.“ Wymer winkte mir zu und ging nach hinten, um seinen Koffer abzuschnallen.
    Ich steckte meinen Kopf aus der Tür und fragte den Kutscher, ob er den Guards’ Club in der Pall Mall kenne. Der nickte mit einem „Selbstverständlich“, und ich beobachtete wieder das geschäftige Treiben der Londoner, während die Kutsche im Schritttempo die Regent Street hinabfuhr. Westlich von uns lagen Mayfair und der Hydepark, östlich Soho, das noch ein wenig heruntergekommener wirkte, als ich es in Erinnerung hatte.
    Am Ziel der Fahrt angekommen, stieg ich aus und befahl dem Kutscher zu warten. Dann ging ich die fünf niederen Stufen zum Club hinauf, neben dessen Eingangstüren wie immer zwei Pagen standen. Wie bei allen Angestellten des Guards’ Club waren ihre Uniformen denen des Scots Guards Regiment nachempfunden, aber nicht mit ihnen identisch, da die Angestellten hier zwar zum allergrößten Teil ehemalige Mannschaftsdienstgrade waren, die aber eben nicht mehr dem aktiven Dienst angehörten und keine Uniformen regulärer Kombattanten tragen durften. Wie immer salutierten beide Pagen vor mir, und wie immer erwiderte ich ihren militärischen Gruß nicht, da sie ja keine aktiven Armeeangehörigen mehr waren und ich zivile Kleidung trug, in der man ohnehin nicht grüßt. Ich ließ mir die Tür öffnen und betrat die große Eingangshalle mit ihren Marmorböden und Leuchtern, die ich so viele Monate nicht mehr gesehen hatte.
    Eigentlich fühlte es sich in diesem Augenblick an, als kehre ich nach Hause zurück, und tatsächlich hatte mir der Club bereits lange und treu als zweites Zu Hause gedient.
    Kaum hatte ich die Halle betreten, da eilte mir auch schon der Major entgegen. Angus McKenzie war natürlich kein echter Major, sonst wäre er Mitglied des Clubs gewesen und kein Angestellter. Während des Opiumkriegs hatte McKenzie im dritten Versorgungs-Bataillon unter Morley gedient und war mit logistischen Operationen vertraut, was ihn für seine gegenwärtige Arbeit prädestinierte. Seine Position im Club war offiziell „Concierge mit besonderen Aufgaben“, aber was er tat, entsprach letztlich dem Beruf eines Majordomus, weshalb er von den Mitgliedern einfach „der Major“ genannt wurde.
    „Guten Tag, Major, schön Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?“
    McKenzie grüßte mich, ohne zu salutieren. Er hatte schon vor geraumer Zeit verstanden, dass es mir missfiel, wenn Zivilisten sich ein militärisches Gebaren gaben. Außerdem ließ er immer die Bezeichnung „Brevet“ bei meinem Rang weg, wohl um mir zu schmeicheln. Damit waren wir für den Augenblick wohl beide Major.
    „Danke. Wie geht es Ihnen?“ Ich erwartete keine Antwort auf meine Frage nach seinem Befinden, und da ich wusste, dass ich auch keine erhalten würde, fuhr ich fort: „Lassen Sie doch meinen Koffer nach oben bringen. Ich werde erst einmal hier absteigen. Ich denke doch, Sie haben ein Zimmer für mich?“
    „Sicher. Für Sie ist immer ein Zimmer frei, und wenn ich einen Colonel der Royal Artillery an die Luft setzen müsste.“
    „Vorzüglich.“ Ich setzte mich in Richtung Lounge in Bewegung. „Wer ist denn gerade hier?“ McKenzie wusste genau, mit welchen

Weitere Kostenlose Bücher