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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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vier anderen, die ich mir bereits hatte angedeihen lassen, aber trotzdem hatte ich Lust, mich zu beschweren. „Das Zeug hat hier einfach einen anderen Geschmack als in Übersee“, schalt ich. „Sicher, dass da keine tote Ratte in deinem Fass treibt?“
    Der Barmann schüttelte den Kopf. „Ganz sicher. Das Bier wird so gebraut, dass es während der Fahrt um Afrika herum nachreifen kann. So schmeckt es natürlich anders, wenn es seine Bestimmung erreicht.“ Mit einem Lächeln, das so bescheiden war, wie es nur Chinesen zustande bekommen, fügte er hinzu: „Aber selbstverständlich steht es mir nicht zu, einem Briten etwas über das Bierbrauen zu erzählen.“
    Dong sah sich um, als wolle er sichergehen, dass sich nicht irgendwo hinter den Tischen noch weitere Kunden verborgen hielten. Ihm war wohl langweilig. Er sah mich an, begann, mit einem speckigen Lappen ein fleckiges Glas zu wienern und ließ mich weiter an seinen Weisheiten teilhaben.
    „Ich muss zugeben, dass der Durchschnittskunde hier Imperial Ale nicht deshalb bestellt, weil es so hervorragend schmeckt, sondern weil er hier für die drei Penny, die ich pro Pint berechne, einen höheren Alkoholanteil pro Penny erhält als bei irgendeinem anderen Bier. Wer Fuller’s trinken will, sucht sich nicht die Alte Dschunke aus, sondern einen Pub in der Innenstadt.“
    „Ich beobachte erfreut, mit welcher Überzeugung du hinter deinen Produkten stehst“, sagte ich und bemühte mich so desinteressiert wie möglich zu klingen, damit der Kerl mich endlich in Ruhe ließ.
    Tat er aber nicht. Stattdessen baute er sich mir gegenüber, auf der anderen Seite der Theke, auf und betrachtete mich, als hätte er noch nie einen Menschen ohne Schlitzaugen gesehen.
    „Es sieht doch ein Blinder, dass Sie nicht nach Whitechapel gehören. Ihrer Kleidung nach würde ich Sie mir eher im West End vorstellen, in einem guten Pub mit einem guten Freund einen guten Whisky trinkend. Darf ich mir die Frage gestatten, was Sie hierherführt? In den Staub und Dreck zu uns einfachen Menschen?“
    Ich fuhr mit dem Finger über die keineswegs staubfreie Theke und betrachtete meinen schmutzigen Finger. „Staub zu Staub, Asche zu Asche, wir kommen aus dem Dreck, und zu Dreck werden wir wieder.“
    „Amen“, nickte der Chinese. „Trotzdem, in der Zeit zwischen dem ‚aus dem Dreck kommen ‘ und dem ‚wieder zu Dreck werden ‘ versuchen die meisten Menschen, sich aus dem Dreck rauszuhalten, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.“
    „Mir stand der Sinn nach Slumming“, log ich. Schließlich verspürten ja immer mehr angesehene Londoner den Drang, sich unters gemeine Volk zu mischen, aus Abenteuerlust oder aus Neugierde.
    „Da sind Sie aber der Erste, der dieser Freizeitaktivität alleine nachgeht“, meinte Dong. „Das tut man doch normalerweise in Gruppen. Mit Freunden.“
    Ich zuckte die Achseln. „Ich habe keine Freunde.“
    Dong machte unnatürlich große Augen. „Haben Sie keinen Freund, nicht einen?“
    „Meinem – ich nenne ihn einmal ‚Geschäftspartner ‘ – gefällt es, sich zu verhalten, als sei er mein Freund. Aber ich habe das Gefühl, er ist es nicht wirklich. Ich glaube, er hat Angst vor mir, und wenn man Angst vor jemandem hat, kann man nicht wirklich sein Freund sein.“ Ich hielt dem Wirt das Glas hin, das schon wieder leer war. „Ich habe keine Freunde. Ich hatte keine Freunde, und ich will keine. Was ich will, ist noch ein Bier.“
    „Alle Menschen brauchen Freunde“, verkündete der Wirt, während er mein Glas entgegennahm. „Nicht jeder Mensch hat immer Freunde, aber ich kenne keinen, der niemals welche hatte.“
    „Dann hast du gerade den ersten kennengelernt.“
    „Sie sind kein sehr geselliger Mensch, richtig?“
    Ich musste fast lachen. „Dong, deine Beobachtungsgabe grenzt ans Übernatürliche.“
    Dong grinste entschuldigend. „Bitte verzeihen Sie mir, aber vom Wirt erwartet man nun mal, dass er sich mit seinen Kunden unterhält. Ich hätte das Gefühl, mir die drei Penny pro Pint nicht verdient zu haben, wenn ich einer Unterhaltung aus dem Weg gehen würde.“
    „Ist schon recht“, versicherte ich ihm, „ich bezahle dich auch, wenn du aufhörst, mich zu unterhalten. Warum kümmerst du dich also nicht um deine Freunde auf der anderen Seite des Segels?“
    „Das sind keine Freunde“, erläuterte Dong. „Das sind Stammkunden. Sie kommen immer nach der Arbeit her, und sie kommen zurecht. Dem Kapitän gehört die kleine Dschunke im Hafen.

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