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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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einmal eine Entscheidung gefällt hatte. Also machte ich mir weiter keine Gedanken.
    Wir kehrten zu unserer Einheit zurück. Ich erklärte den Männern, wir würden einen Angriff durchführen und das Opium, das wir erobern würden, sei für ein ordentliches Prisengeld gut.
    Die Männer saßen ab und ließen ihre Pferde auf der dem Feind abgewandten Hügelseite zurück, denn wir wollten nicht, dass man sie auf dem Hügelkamm sah. Dann verteilten sie sich auf die Hügel. Ich behielt eine berittene Reserve von einem Dutzend Männern zurück.
    Wir begannen, die Chinesen unter Feuer zu nehmen. Am Anfang lief der Angriff gut. Er kam für den Feind überraschend, und zunächst wollten die Chinesen fliehen. Allerdings hatten sie keinen Ausweg. Der Fluss war zu reißend, um schwimmend durchquert zu werden, und die Dschunken lagen mit gerefften Segeln vor Anker, so dass keine Möglichkeit bestand, sie auf die Schnelle auslaufen zu lassen. Die Chinesen verschanzten sich hinter den Opiumballen und schossen zurück.
    Dann begannen meine Männer zu fluchen. Ein Hinterlader hat weniger Gasdruck als ein Vorderlader, weil sonst die Verschlussdichte gefährdet wäre. Darum lag die Reichweite unserer Gewehre bei knapp fünfhundert Yards, zielgenau waren sie höchstens auf dreihundert Yards. Der Feind war gut vierhundert Yards entfernt, so dass mit unseren Gewehren Treffer eher eine Frage des Glücks als des Zielens waren. Die Vorderlader der Chinesen schossen hingegen noch auf die doppelte Entfernung zielgenau.“
    „Vorderlader sind also besser als Hinterlader?“, fragte der Hausherr.
    „In diesem Fall ja. Der Schusswechsel entwickelte sich nicht gut für uns. Nach einer halben Stunde Geballere hatte ich zehn Männer verloren, und wir hatten kaum ein halbes Dutzend Chinesen erlegt. Wilberforce kam zu meiner Position gekrochen. Er sagte, wir müssten uns zurückziehen. Wir würden sie nicht erwischen, aber mit ihren Büchsen könnten sie uns pflücken wie Äpfel vom Baum.
    Nun hatte ich aber auf Rückzug so richtig keine Lust. Ich habe nämlich die Angewohnheit, dass ich, wenn ich mal was anfange, das auch zu Ende bringe.“
    Ich sah den Barmann an.
    „Allerdings muss ich zugeben, dass diese Angewohnheit nicht der einzige Grund war, dass ich keinen Rückzug befehlen wollte. Du kannst dir sicher denken, wie es in mir aussah. Wenn ich mich jetzt zurückgezogen hätte, wäre ich mit zehn Männern weniger in Ningbo angekommen und hätte nichts vorzuweisen gehabt außer der Tatsache, dass ich gegen einen expliziten Befehl verstoßen und mich auf ein Gefecht eingelassen hatte, das zu meinen Ungunsten ausgegangen war und das ich ohne die geringsten Probleme hätte vermeiden können.“
    Ich trank den Pflaumenwein aus. Im Augenblick hatte ich das dringende Bedürfnis, irgendetwas kaputt zu machen. Gerne hätte ich die Weinschale in den milchigen Spiegel hinter der Bar geworfen. Aber ich riss mich zusammen, schließlich wollte ich meinen Zuhörer nicht brüskieren.
    „Damals, auf dem Hügelrücken, habe ich mir geschworen, dass ich mich niemals wieder nicht an einen Befehl halten würde, egal wie verlockend die Gelegenheit auch sein würde.“
    „Das scheint mir ein weiser Entschluss gewesen zu sein“, erlaubte Dong sich anzumerken. „Meiner Ansicht nach wird die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen in Ihrer Kultur ohnehin überschätzt.“
    „Mag sein. Den Rückzug habe ich aber dennoch nicht befohlen.“
    Ich ließ mir mehr vom Pflaumenwein geben.
    „Es war mein erstes Kommando, und wenn ich mich zurückgezogen hätte, wäre es mit Sicherheit auch mein letztes gewesen. Also sagte ich Wilberforce, er solle den Befehl zum Sturmangriff geben.
    Er starrte mich an und sagte, ich sei wohl wahnsinnig geworden.
    Ich versicherte ihm, dies sei keineswegs der Fall. Wenn wir uns auf ein langes Stellungsgefecht einließen, wäre der Feind im Vorteil, und mit Einbruch der Dunkelheit würden wir ihn dann ohnehin nicht an der Flucht über den Fluss hindern können. Würden wir aber einen Sturmangriff reiten, wäre der Feind so schnell in Reichweite unserer Gewehre, dass er keine Zeit zum Nachladen hätte. Dann würden wir die Chinesen mit unserer besseren Feuergeschwindigkeit einfach wegpflücken.
    Wilberforce wandte ein, das werde nie funktionieren. Das Verhältnis sei drei zu eins gegen uns, und außerdem hätten sie Deckung, während wir über das freie Feld angreifen müssten.
    Ich erinnerte ihn erneut daran, dass der Feind Chinese sei und wir

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