Der Kristallstern
hatte Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. Luke taumelte gegen ihn und wurde ganz schlaff. Han erwartete einen Trick. Er erwartete, daß Luke kraft seines Willens das Lichtschwert in die Hand bekam. Statt dessen ertappte er sich dabei, daß er Luke halb zerrte und halb vom Altar wegtrug.
»Er ist sehr krank, sehr schwach«, sagte Waru. »Bring ihn zurück zu mir. Wenn er geheilt werden kann, werde ich ihn heilen.«
Ohne eine Antwort zu geben, stellte Han Luke auf die Füße.
»Hilf mir ein bißchen, Bruder«, knurrte er.
Neben ihm richtete sich Luke torkelnd auf.
»Bitte, Han«, flüsterte er, »hilf mir…«
»Bring ihn zu mir!« Warus Worte ließen den Saal erbeben.
Han schlang Lukes Arm um seine Schulter und ging weiter in Richtung Ausgang.
»Nein«, flüsterte Luke, »nein… bitte…«
Han überlief es eiskalt. Luke bat nicht um die Flucht, sondern um die Rückkehr zu Waru. Han weigerte sich, ihn gehen zu lassen.
»Ich habe dein Leben schon früher gerettet, Junge«, knurrte Han. »Du schuldest es mir mindestens einmal.«
Er zerrte Luke aus dem Theater, durch den stillen Torbogen und auf den freien Platz. Die desintegrierenden Sterne blendeten ihn. Seine Augen tränten, sein Blickfeld verschwamm. Hoch oben am Himmel loderte das Schwarze Loch und pulsierte der Kristallstern. Ihre Helligkeit verstärkte sich, Strahlung bombardierte die Schilde. Ein Schauder durchlief Han.
Aber es gab jetzt viele andere Dinge als die Sterne am Himmel, die Han veranlaßten, sich unbehaglich zu fühlen.
Er zerrte Luke herum und schlug den Weg zu Xaverris geheimem Pfad ein.
Tigris folgte hingerissen Lord Hethrirs Rede. Er sprach bereits seit Stunden. Wie alle anderen war Tigris von der Stimme und der gewaltigen Botschaft des Lords fasziniert und hypnotisiert.
Nur Anakin war immun gegen die Macht von Lord Hethrirs Stimme. Der kleine Junge war auf den Boden geklettert und hatte sich eng an die sechsbeinige, zähnestarrende Kreatur geschmiegt. Beide schliefen tief und fest zu Tigris’ Füßen.
»Heute werde ich meine Macht begründen«, sagte Lord Hethrir.
»Heute werde ich vervollkommnet wie Edelmetall aus dem rohen Erz der irdischen Existenz.
Heute werde ich wiedergeboren – wie das Imperium, dessen Reinkarnation ich empfangen und ausgetragen habe.
Heute werde ich es zur Welt bringen – das Neugeborene Imperium!«
Seine Gefolgsleute blickten ihn an, wie betäubt von seiner Kühnheit. Dann sprangen sie, alle gemeinsam, auf die Füße und brachen in Jubel aus.
Auch Tigris machte Anstalten, sich zu erheben. Aber wenn er aufstand, würde er Anakin aufwecken. Anakin könnte anfangen zu weinen und den Triumph des Lords stören.
Außerdem waren Tigris’ Füße eingeschlafen.
Einige der Sklavenkinder wimmerten und weinten. Aber ihr Verhalten fiel nicht in Tigris’ Verantwortungsbereich. Das Anakins schon.
Tigris blieb, wo er war, und hoffte, weit genug im Hintergrund zu sein, weit genug in den Schatten, so daß sein Fehlverhalten, nicht aufzustehen und dem Plan Beifall zu spenden, nicht auffiel. Ein ganzer Saal voller Leute, die standen, schrien, winkten und applaudierten, war zwischen Tigris und Hethrir. Vielleicht würde der Lord ausnahmsweise einmal nicht wissen, was Tigris tat.
Anakin sieht so friedlich aus, dachte Tigris. Ich frage mich, wie er in diesem Lärm schlafen kann.
Er lächelte liebevoll auf den kleinen Jungen herunter, der zusammengerollt zwischen den sechs Beinen der zähnestarrenden Kreatur auf dem Boden lag.
Ich wünschte, er wäre immer so friedlich! dachte Tigris. Ich frage mich, wie es wäre, einen kleinen Bruder wie Anakin zu haben. Ich frage mich, wie es wäre, überhaupt einen Bruder oder eine Schwester oder eine Familie zu haben. Warum war meine Mutter eine Verräterin? Wer war mein Vater, und warum hat er mich verlassen?
Anakin öffnete die Augen. Er blinzelte schläfrig, sah, daß Tigris ihn anlächelte, nahm den Daumen aus dem Mund und lächelte zurück. Er kletterte neben Tigris auf die Bank. Er griff mit seiner klebrigen Hand in die Tasche und holte eine angebissene kandierte Frucht hervor. Er hielt sie Tigris hin.
Tigris lachte leise. »Danke«, sagte er. Er brach das am wenigsten mitgenommene Stück ab und aß es. Es schmeckte so gut wie die Scheibe Obst, die ihm Anakin im Schiff angeboten hatte. »Wo hast du das her?« fragte er. Das Stück sah aus wie eine der kandierten Früchte, die ihnen der Händler in der Willkommenskuppel offeriert hatte und die sie aus Geldmangel
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