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Der Kronrat (German Edition)

Der Kronrat (German Edition)

Titel: Der Kronrat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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Handelshäuser heiraten anderswo in den Adel ein, um sich einen Vorteil zu erkaufen. Bei der Familie meiner Mutter war es so, und es war auch der Grund, weshalb sie dem Baron versprochen wurde. Er stammt aus altem aldanischen Adel. Er nahm es meiner Mutter übel, dass sie dachte, er verstünde nichts von Geld, also hat er das Bankhaus hier gegründet.«
    Damit hätten wir einen anderen Grund gefunden, warum der Leutnant es nicht leicht hatte. Er trug sein Herz auf der Zunge.
    Ich unterdrückte einen Seufzer. »Denkt Ihr, Ihr könnt mir in meinem Stab dienlich sein?«
    »Ay, Ser!«, sagte er. »Dessen bin ich mir sicher!«
    Jetzt war ich überrascht.
    »Wie könnt Ihr dessen sicher sein?«
    »Ich kenne das Protokoll«, teilte er mir voll Eifer mit. »Nicht nur das des Militärs, ich weiß mich auch in jeder Gesellschaft zu bewegen. Ich spreche neun Sprachen fließend, auch Medari und den Hauptdialekt, den sie dort sprechen.«
    »Wo?«, fragte ich verwirrt.
    »Im Reich Xiang. Medari ist dort die Sprache am Hof, doch zum größten Teil spricht das Volk Aniri. Es gibt dort noch Hunderte von Dialekten, aber mit diesen beiden kommt man aus.«
    »Was befähigt Euch noch?«, fragte ich, obwohl allein schon die Sprachen von großem Vorteil waren.
    »Ich habe an der Akademie der Künste hier in Askir studiert und natürlich an der Militärakademie.«
    Natürlich.
    »Ich spiele auch das Spinett und die Laute«, fügte er hinzu.
    »Das lernt man an der Militärakademie?«, fragte ich erstaunt.
    »Nein, Ser. Dort bestand ich mit Auszeichnung im Bauwesen. Wälle, Festungen und Minenbau.«
    »Also könnt Ihr Karten lesen und auch Gebäudepläne?«, fragte ich ihn.
    »Ay, Ser. Selbstverständlich, Ser!«
    »Leutnant, ich werde es mit Euch versuchen.« Ich wies auf den anderen Schreibtisch. »Sagt Sergeant Lamert, er soll Euch einen zweiten Schreibtisch besorgen, den er neben den dort hinstellen soll. Aber vorerst …« Ich beugte mich etwas vor. »Stellt Euch vor, ich wäre ein Schweinehirte, hätte keinerlei Wissen über das gesellschaftliche Gefüge dieser Stadt und müsste heute Abend auf einem Botschaftsball glänzen. Sagt mir, was ich wissen muss.«
    »Ihr wollt es mit mir versuchen, Ser?«, fragte er ganz aufgeregt.
    »Ja«, seufzte ich. »Wenn Ihr mir beweist, dass Ihr meine Fragen hört!«
    »Ay, Ser, selbstverständlich, Ser! Ein Schweinehirte auf einem Botschaftsball? Es ist ein Scherz, nicht wahr? Oder wollt Ihr mich nur prüfen?«
    »Wenn Ihr wollt, dann seht es so.«
    »Oh«, sagte er. »Ich fürchte, das wird schwer …«
    Irgendwie hatte ich das auch vermutet.
     
    Einmal in Fahrt gekommen, plapperte der Leutnant fröhlich und mit leuchtenden Augen daher. Ich stellte zwei Dinge fest: Er trug auch das Herz und die Geheimnisse anderer auf der Zunge, und er war die Goldgrube, die ich brauchte. Schon jetzt war ich beim zweiten Federkiel und hatte einen Krampf in meiner Hand. Ich hoffte nur, dass ich meine Notizen später dann auch lesen konnte.
    Als Serafine hereinkam, sprang der Leutnant hastig auf und salutierte.
    Ich hingegen sah sie nur sprachlos an, denn sie trug ihre neue Uniform. Wie bei den Bullen üblich, trug sie einen geteilten Reitrock, der Schwertgurt betonte ihre Taille und der Kragen ihren langen Hals … bei den Göttern, sie brauchte wahrlich keine neuen Kleider!
    Sie nahm sich eine Mappe mit Rellins Vorschlägen und setzte sich still an den anderen Schreibtisch. Nur ab und zu schaute sie amüsiert zum Leutnant herüber, der fröhlich weiterplapperte, von der Heirat einer Cousine mit einem alten Mann, der noch auf dem Weg aus dem Tempel an Altersschwäche gestorben war, und dem Gerücht, dass der Messwein vorher die Hand der Braut passiert hatte, die einen großen Ring getragen hatte und …
    Ich begann mich langsam zu fragen, ob man unseren Leutnant Stockfisch in die Legionen abgeschoben hatte, damit er kein Unheil anrichtete. Es schien mir, dass, wenn jemand in der feinen Gesellschaft Askir noch keine Leiche im Keller liegen hatte, es nur daran lag, dass der Mord noch nicht geschehen war. Aber auch das hätte Stockfisch vermutlich schon vorher gewusst.
     
    »Wo, bei allen Göttern«, lachte Serafine, als wir kurz vor der fünften Glocke zur Fechthalle hinübergingen, »hast du diesen Leutnant her?«
    »Er ist mir in den Schoß gefallen. Niemand sonst will ihn haben.«
    »Der Mann ist brandgefährlich«, sagte sie kopfschüttelnd. »Soll ich dich wirklich zum Tanzunterricht begleiten?«, fragte sie.

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