Der Kronrat (German Edition)
früh zur zweiten Glocke fortsetzen. Maestra, die Prima der Eulen bat mich, Euch auszurichten, dass Ihr sie heute Abend zur siebten Glocke aufsuchen sollt. Ihr werdet sie im Turm der Eulen finden, dem Turm, den Ihr links vom Eingang zur Zitadelle sehen könnt.« Er lächelte verschmitzt. »Sollte die Tür zum Turm offenstehen, braucht Ihr nicht zu klopfen, tretet dann einfach ein.«
»Ich werde dort sein«, antwortete Leandra höflich, doch das Funkeln in ihren Augen zeigte allzu deutlich, wie begierig sie darauf war, mit einer Maestra zu sprechen, die in den arkanen Künsten des Alten Reichs ausgebildet war.
»Für den Moment«, sprach Orikes weiter, »gilt es, unser Wissen abzugleichen, damit wir einen Plan erarbeiten können, der es uns erlaubt, dem Nekromantenkaiser die Stirn zu bieten. Für weitere Schritte ist es noch zu früh. Wenn ich einen Eurer Kameraden sprechen will, lasse ich es Euch rechtzeitig wissen. So lange, bis das geschieht, betrachtet Euch als Gäste Askirs und scheut Euch nicht, bei gebotener Vorsicht, Euch ein Bild von unserer schönen Stadt zu machen. Es ist noch Zeit bis zum Kronrat, und ich weiß, dass Ihr begierig darauf seid, vor ihn zu treten und zu sprechen. Aber ich bitte um Eure Geduld, Maestra, es wird noch etwas dauern, bis wir Euch als Botschafterin Eurer Heimat bestätigen können.« Er nickte uns freundlich zu und öffnete die Tür. »Wir sehen uns morgen früh. Jetzt liegen andere Pflichten vor mir. Der Götter Glück mit Euch.«
Ich schloss die Tür zu unserem Quartier sachte hinter uns und sah zu Leandra hinüber, die aus dem Fenster in den Innengarten der Zitadelle starrte. Für den Moment zumindest war der Streit um Angus vergessen.
»Kommt es dir auch vor, als hätten diese Kaiserlichen eine ganz besondere Art, eine Audienz zu beenden?«, fragte ich. »Sie sind höflich, ohne Zweifel, aber es geht so schnell, dass man kaum mitbekommt, wie man plötzlich vor der Tür steht.«
»In der Tat«, sagte sie. »Ich komme mir abgekanzelt vor.«
»Er hat uns wenig genug gesagt. Mich hat er abgekanzelt, dir hat er meist nur zugehört.«
»Das sehe ich anders.« Sie drehte sich zu mir um. »Havald, bei allen Göttern! Wie konntest du nur sagen, dass du das Kommando über die Legion nicht willst? Sie ist unsere einzige Hoffnung!«
»Genau deshalb sollte sie von jemandem geführt werden, der das Kriegshandwerk versteht.«
»Ich kenne niemanden, der es besser könnte«, widersprach sie.
»Das sehe ich anders. Ist dir bewusst, dass ich keine Ausbildung erhielt? Ich vermute, du wurdest in Strategie unterrichtet, aber mir fehlt dieses Wissen.« Ich musterte sie nachdenklich. »Vielleicht solltest du sie führen, Leandra. Du bist der Paladin der Königin.« Und mehr, wenn sich meine Befürchtungen bestätigten.
Sie trat an mich heran, sah mir ernst in die Augen und legte ihre Hand auf meinen Arm. »Vielleicht. Aber wenn es doch nicht so kommt, wie du es dir wünschst, und du das Kommando weiterhin behältst, wirst du dein Bestes geben, um die Legion in die Schlacht zu führen?«
»Ja, natürlich. Allerdings wäre es mir lieber …«
Sie unterbrach mich mit einem harten Kuss auf die Lippen. »Psst«, meinte sie lächelnd. »Das ist alles, was ich hören wollte, mehr gibt es nicht zu sagen.« Sie schmiegte sich an mich. »Ich mag es gar nicht, mich mit dir zu streiten. Havald.« Sie sah zum Bett hinüber und lächelte auf die Art, die ich so liebte. »Es tut mir leid wegen Angus, es war falsch von mir, so zu reagieren. Vergibst du mir?«
Ich nickte, doch als ich später ihren Atem an meiner Schulter spürte und sie eingeschlafen war, dachte ich bei mir, dass es nicht darauf ankam, ob ich ihr vergab. Neben dem Bett stand Steinherz und bedachte mich mit einem gewohnt spöttischen Blick. Es erinnerte mich an etwas, das ich in einem Traum erfahren hatte. Wieder fragte ich mich, wann ich Leandra erzählen sollte, dass im Heft des Schwerts ein Dokument verborgen war, das nach dem Willen Eleonoras den Thronfolger von Illian bestimmte. Ich, das hatte sie mir zu meiner Erleichterung verraten, war es nicht.
Es gab noch einen anderen Grund, aus dem ich zögerte und hoffte, dass es nicht mehr gewesen war als ein Traum. Denn wenn es anders war, dann stand es schlimm um meine Heimat, und Eleonora war verloren.
So müde ich auch war, auch diesmal währte mein Schlaf nur kurz. Niemand hatte mich geweckt, es war nur wieder einer dieser dunklen Träume gewesen, die mich seit einiger Zeit
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