Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kronrat (German Edition)

Der Kronrat (German Edition)

Titel: Der Kronrat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
Vom Netzwerk:
noch zur Rasur gereicht, ich trocknete mir gerade das Gesicht ab, als ein Soldat der Federn an unserer Tür klopfte, uns mitteilte, dass der Kommandant demnächst für uns Zeit hätte, und höflich andeutete, dass es wohl besser wäre, wenn wir dann ebenfalls bereit wären.
    Leandra hatte sich umgezogen, sie trug ihre alte Rüstung mit dem in die Kette eingearbeiteten Symbol des Greifen, aber alles andere, auch der bodenlange Umhang, bestand aus neuem weichem, blendend weißem Leder. Diese Sachen hatte ich an ihr noch nie gesehen. Auf die Perücke hatte sie verzichtet, sie lag, in eine kunstvolle Frisur gelegt, achtlos neben der Wand auf dem Boden. Ich bemerkte dort auch drei Haarnadeln, die ihre Flugbahn zur Wand markierten. Wir beide hatten uns auf den Feuerinseln übel verbrannt, doch dank Zokoras Heilkunst waren wir fast vollständig genesen. Die neue Haut hatte noch nicht die Bräune der unverbrannten Zonen; ich war fleckig, Leandra dagegen hatte einen Weg gefunden, die neue Haut zur alten passend einzubräunen. Der Kontrast zu ihrem Haar war beeindruckend und verlieh ihr eine gewisse Dramatik.
    Leandra hatte auf das Klopfen hin die Tür geöffnet, jetzt schloss sie sie und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Türblatt, um mich durchdringend zu mustern. Ich trug die Uniform eines Generals der Legionen, die Stiefel hatte ich geputzt, einen neuen Fleck weitestgehend weggerieben, viel konnte sie nicht daran auszusetzen haben.
    »Was ist mit Angus?«, sagte sie in einem Tonfall, der verriet, wie viel Mühe es ihr bereitete, ruhig zu klingen. Ganz gelang es ihr nicht, denn kleine Funken überliefen sie, wahrscheinlich bemerkte sie sie nicht einmal.
    »Er ist schuldig, wird hingerichtet werden und stellt für deine Mission keine Bedrohung dar«, teilte ich ihr mit. »Deine Befürchtungen waren unnötig.«
    »Es könnte von Nachteil für uns sein, wenn er …«
    »Nein«, unterbrach ich sie. »Es hat mit uns und dir nichts zu tun, es ist etwas aus seiner Vergangenheit. Etwas, das die Varländer unter sich zu regeln wünschen.«
    »Warum bist du wütend auf mich?«, fragte sie. Das Gleiche hätte ich sie fragen können, doch es wäre vergebens gewesen.
    »Ich bin nicht wütend«, knirschte ich. »Nicht auf dich. Gehen wir?« Steinherzens Rubinaugen sahen mich spöttisch von ihrem Platz über ihrer Schulter an. Du kannst nicht gewinnen, teilten sie mir mit, du hattest schon verloren, bevor du sie zum ersten Mal gesehen hast, denn sie ist mein .
    »Doch, du bist wütend. Erklär mir, warum. Du weißt, wie wichtig meine Mission ist.« Ihre Mission, nicht mehr die unsere.
    »Es gibt Dinge im Leben, die auch dann noch wichtig sind, wenn man eine Mission zu erfüllen hat.« Ich wollte mich nicht darauf einlassen, doch es fiel mir schwer. »Manchmal wünschte ich mir, dass wir uns kennengelernt hätten, bevor du deinen Schwur auf diese Klinge geleistet hast. Steinherz verändert dich, Leandra.«
    »Du irrst«, teilte sie mir erhaben mit. »Ohne die Mission hätten wir uns nicht kennengelernt. Und nur, weil du mit deinem Schwert im Zwist liegst und mit dem Schicksal haderst, brauchst du nicht zu denken, dass es bei mir auch so wäre. Steinherz und ich sind eins, und so sollte es auch sein, dafür sind die Schwerter gemacht.«
    Es hatte keinen Sinn. Genauso gut könnte man gegen eine Wand rennen.
    »Wir sollten gehen«, erinnerte ich sie. »Es wäre der Mission abträglich, wenn wir einen schlechten Eindruck machen, indem wir zu spät kommen.«
    »Du hast recht«, sagte sie. »Das darf nicht geschehen.«
    Ja, dachte ich, ich weiß.

4. Der Kommandant
     
    Wir hatten es gut abgepasst. Kaum hatte uns der Soldat der Federn in den Vorraum geleitet, in dem auch Stabsobrist Orikes auf uns wartete, wurde von der anderen Seite die Tür geöffnet, und ein Adjutant bat uns einzutreten.
    Es gibt Menschen, denen man ansieht, wer sie sind. Hochkommandant Keralos, Statthalter von Askir, oberster Heerführer der Legionen, vielleicht der mächtigste Mann, den ich je kennenlernen würde, war ein Soldat: schlank und hochgewachsen, mit eisgrauen Haaren, grauen Augen, dem Blick eines Adlers, nur mit einer einfachen grauen Robe ohne jedes Zeichen seiner Macht bekleidet. Doch solcherlei brauchte er auch nicht, denn so gerade, wie er dastand, die Art, wie er uns schnell und gründlich musterte, der Blick – all das charakterisierte ihn eindringlicher als die schwere Rüstung der Bullen, die in einer Ecke des Raums auf einem Rüstungsständer

Weitere Kostenlose Bücher