Der Kronrat (German Edition)
überraschend!« Sie sah zu Serafine und schüttelte ungläubig den Kopf. »Die Götter müssen wahrlich auf unserer Seite stehen. Ein Bannschwert, gerade dann, wenn man es braucht!«
»Woher hast du es gewusst?«, fragte mich Varosch schwer atmend und spannte mühsam seine Armbrust. Ich war froh zu sehen, dass das äußerliche Zeichen dieser Schwäche ihn wieder verlassen hatte: Er war wieder so jung wie zuvor. »Du wolltest Desina noch daran hindern, den letzten Stein fallen zu lassen. Wieso?«
»Serafine und ich haben dieses Tor bereits entdeckt«, teilte ich den beiden mit. Ich wischte mir das Blut von meiner Nase und den Staub aus dem Gesicht, streckte die Hand aus, und Seelenreißer sprang mir entgegen. Ich deutete müde mit der Hand zu dem Fenster aus dickem Quarz, das in Zokoras Licht kaum zu erkennen war. »Durch dieses Fenster haben wir den Kampf der beiden hier gesehen.« Vorsichtig trat ich zur Seite, sorgsam bemüht, nicht weitere Knochen der Eule zu zerbrechen. »Die Eule hat die Verfluchte hier in diesem Tor gehalten, und bis zuletzt schien mir noch Leben oder zumindest Wille in ihr.«
»Bis wir kamen«, meinte Serafine, die mit einem Ausdruck des Staunens das Schwert studierte. »Sie muss die Linien des Tors zerstört haben, um der Unheiligen die Flucht zu verwehren. Ich kann sie sehen, diese Eule, das Schwert berichtet mir von ihr. Anis war ihr Name, und sie war erst zwanzig Jahre alt, als ihr Schicksal sie ereilte.«
»Wir können ihr nur alle dankbar sein«, krächzte ich und nahm einen Schluck aus meiner Wasserflasche. »Habt ihr gesehen, wie lange es gedauert hat? Götter, war diese Verfluchte mächtig!«
»Das ist uns aufgefallen«, meinte Zokora und bedachte mich erneut mit diesem seltsam prüfenden Blick.
»Desina wird von ihr erfahren wollen«, meinte Varosch leise.
Ich sah auf die braunen Knochen herab. Sie war eine zierliche Person gewesen. Was brachte einen dazu, sich derart zu opfern und sich selbst Jahrhunderte der Verdammnis aufzuerlegen? Glaube, Pflicht, Liebe und Hoffnung. Woher der Gedanke kam, wusste ich nicht zu sagen, aber das war es wohl, das Menschen zu so etwas befähigte. Fehlte auch nur ein Teil, dann war es nicht genug. Sorgsam schob ich die Knochen zusammen und legte die schwere Robe über ihnen aus. Wo sie nicht verbrannt und geschmolzen war, hatte sie die Zeit bemerkenswert gut überstanden.
»Sie wird einen Tempeldienst erhalten«, verkündete Serafine mit rauer Stimme. »Und wenn es das Letzte ist, das ich in diesem Leben tue.«
»So ist es richtig«, meinte Varosch, der mittlerweile auch aufgestanden war. Er trat an die Tür, die innen mit Stein verkleidet war. Zum Teil war er gesprungen und geschmolzen und gab den Blick frei auf den Stahl, der uns den Weg versperrte. »Soltar wird sie in Gnade empfangen … aber zuerst müssen wir hier heraus.« Er sah zu mir. »Ist die Tür verriegelt oder nur verzogen?«
»Verriegelt. Mit schweren Riegeln, die wir nicht sprengen können.« Ich sah mich um, das Muster zu unseren Füßen war mit zwei tiefen Kerben zerstört: Durch dieses Tor kamen wir nicht mehr zurück. Dafür lagen hier noch Torsteine aus. Ich merkte mir die Kombination und sammelte sie ein, bis auf einen, der zersprungen war.
»Vielleicht kann uns Seelenreißer helfen«, sagte ich und zog erneut mein Schwert. »Er ist scharf genug, um stählerne Rüstungen zu zerschneiden.«
»Rüstungen vielleicht«, meinte Varosch, »aber dieser Stahl hier ist eine Handbreit dick.«
Nichtsdestotrotz setzte ich Seelenreißer dort an, wo sich die Riegel befinden mussten. Langsam drang die Klinge ein – und wirkte beinahe beleidigt, dass ich sie derart missbrauchte.
»Es scheint zu gehen«, stellte Varosch fest.
»Ja«, meinte ich keuchend. »Aber es wird lange dauern, und mir ist aus irgendwelchen Gründen schwach zumute. Es ist nicht die dunkle Macht der Verfluchten, etwas anderes lässt mich an Kraft verlieren.«
»Es ist die Luft«, meinte Zokora gedämpft, da sie sich den Ärmel ihrer Robe vors Gesicht hielt. »Sie ist alt und verbraucht. Mir ist nicht recht, was wir hier atmen, die Luft ist vom Staub der Toten erfüllt.«
»Oh«, meinte ich und musste sogleich niesen. Dieses Wissen hatte ich jetzt nicht gebraucht.
Etwas schlug mit lautem Scheppern von außen gegen die Tür, und ich fuhr zurück, beinahe hätte ich mich an Seelenreißer geschnitten. Hinter dem Quarz war Licht zu sehen und undeutlich ein Gesicht. Dann folgten schwere Hammerschläge. Dennoch
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