Der Kronrat (German Edition)
sechs kräftigen Bullen auf einen Wagen gehievt wurde.
»Wo geht das Biest hin?«, fragte ich einen der Soldaten.
»Die Federn wollen es sich ansehen. Angeblich kann man diese Kreaturen zähmen!«
Besser sie als ich. Ich konnte mich noch sehr gut an den aufgerissenen Rachen erinnern, der uns erwartet hatte, als wir in Aldar aus dem Torhaus stürmten.
»Wenn das Vieh nicht so böse schauen würde, wäre es beinahe schön«, stellte Ragnar fest und stützte sich auf seine Axt. Er sah zu mir hinüber und grinste über beide Ohren. »Esire wird dir nie verzeihen, dass ich eine Sera erblickte, die schöner war als sie … Götter«, fragte er mich dann, »wer war sie?«
»Ich dachte es zu wissen«, sagte ich leise. »Doch ich habe mich getäuscht.«
»Es ist egal, wer sie war«, meinte Ragnar. »Allein für das, was eben geschehen ist, lohnte es sich bereits zu leben!«
Wir folgten der Wyvern auf dem Wagen die Rampe hinauf und gingen zur Zitadelle zurück.
»Was dachtest du denn, wer sie ist?«, fragte Serafine in einem Ton, der zeigte, dass sie noch immer von dem Anblick zehrte, den der Drache geboten hatte.
»Ich dachte, sie sei vielleicht die verlorene Kaiserin«, erklärte ich den beiden leise, als wir außer Hörweite anderer Ohren waren. »Es schien zu passen. Es war Kolaron, der sie gefangen hielt, und ich wusste von der Kaiserin, dass ein Volk tief im Süden sie für eine Göttin hielt. Sie war verkrüppelt und verletzt …«
»Und du meinst, ein solcher Drache hätte sich nicht zur Wehr gesetzt, als man ihn angriff?«, fragte Serafine ungläubig.
»Sie war gefangen, wie auch immer es dazu kam. Vielleicht ist sie in ihrer menschlichen Gestalt auch nicht so stark.«
»Havald«, sagte Serafine und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie bist du nur auf diese Idee gekommen?«
Ich deutete nach oben, hoch zur Zitadelle, wo Askirs Banner wehte. Ragnar und Serafine folgten meiner Geste.
»Bei Borons Bart«, fluchte Ragnar. »Direkt vor unserer Nase!«
»Oh«, sagte Serafine. »Ich verstehe!«
Denn der goldene Drache auf dieser Flagge ähnelte der Sera bis auf die letzte Einzelheit.
»Es lag nahe«, sagte ich leise. »Wenigstens dachte ich das. Aber wenn sie die Kaiserin wäre … dann wäre sie mit uns gekommen.«
»Nun«, meinte Ragnar. »Ich kann dir zwei Dinge sagen. Zum einen: Wenn ich alt und grau bin, werde ich noch von diesem Tag zehren und meiner Esire damit in den Ohren liegen. Zum anderen … eines ist gewiss: Eine Freundin des Nekromantenkaisers ist sie nicht.« Fast zärtlich strich er über seine Axt. »Soll der Verfluchte doch versuchen, Coldenstatt zu nehmen! Er wird sein blaues Wunder erleben.«
»Ein Wunder war es, Ragnar«, sagte Serafine andächtig. »Und was für eins!«
»Ich wollte, ich könnte mich beliebig so verwandeln«, sagte Ragnar, und sein Lächeln flaute ab. »Ich bin kein Riese, ich trage nur ihr Blut in mir. Es hat mich viel Kraft gekostet, nicht nur mich, sondern auch Ragnarskrag. Die Axt ist schwächer geworden dadurch. Aber bei den Göttern, es hat sich gelohnt, diesen einen Streich zu führen. Er hat wahrhaftig die Welt gespalten!«
Zumindest hatte er sie erbeben lassen. Ich fragte mich, was Kolaron dachte, als er von ihrer Flucht erfuhr.
»Weißt du, was ich denke?«, fragte Serafine, als wir uns in der Silbernen Schlange an den gleichen Tisch setzten, den wir vorhin erst verlassen hatten. Ragnar war der Meinung, dass man darauf einen Humpen trinken sollte, und ich stimmte ihm aus vollem Herzen zu.
»Was?«
»Dass sie der gleichen Art entstammt wie der Göttervater«, sagte sie andächtig. »Sie besaß die gleiche Majestät und Erhabenheit, wie ich sie auch bei ihm verspürt habe.«
»Dann wäre sie in Wahrheit eine Göttin«, sagte Ragnar und hob seinen Humpen, um mit uns anzustoßen. »Auf sie also, die Sera mit den Blumen!« Wir stießen krachend an, dass der Schaum um uns flog.
»Nur in einem hast du mich betrogen, Havald«, warf mir Ragnar lachend vor.
»Ich dich?«, fragte ich verblüfft. »Wie das?«
»Es wird kein Lied darüber geben. Und wenn doch, wird es niemand glauben!« Er nahm einen tiefen Schluck, sodass der Schaum in seinem Bart kleben blieb. »Aber es reicht mir, dass ich selbst weiß, was ich getan habe. Und allein dafür danke ich dir, alter Mann!«
Ich wollte mit der linken Hand nach dem Krug greifen, doch dann erstarrte ich und fluchte.
»Was ist?«
»Dieser letzte verdammte Brocken, der von der Decke fiel«, fluchte ich leise,
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