Der Kronrat (German Edition)
anderes denken! Was war so wichtig?«, wollte Stofisk wissen.
»Wir brachten einer Sera Blumen«, lachte Ragnar.
Am Tor zum Tempelplatz sah man uns kommen und vertrieb die Menschenmenge, um uns einen Pfad zu öffnen, doch nach dem Tor wurde es noch schlimmer. Der Tempelplatz war einer der größten Plätze Askirs, ein großes leeres Feld, sauber mit Pflastersteinen belegt. Die vier großen Tempel bildeten ein Quadrat und waren selbst umrandet von anderen, kleineren Gebäuden, die auch in irgendeiner Art dem Glauben dienten, ob es nun Druckereien waren, die Lehrbücher anfertigten, Blumenläden, Schneider oder die Tempelschulen.
Überall standen kleine Buden, wo sich die Verkäufer heiser schrien, Wein, Bier, Tee, Gebäck oder anderes anpriesen, oder auch kleine bestickte Lappen, die man sich an die Robe heften konnte, mit Sinnsprüchen aus den Büchern der Götter darauf.
Tafelsänger kämpften gegen den Lärm an, zeigten mit ihren Stöcken auf ihre Tafeln voller schauriger Geschichten, Spielleute tanzten oder vollführten Kunststücke, und da vorn, über den Köpfen der Menschenmenge, tanzte ein kleines Mädchen auf einem Seil. Überall sah ich nur lachende Gesichter voller Erwartung und zweimal auch einen Dieb, der geschickt einen Beutel schnitt.
Stofisk hatte recht, es war ein Volksfest, und es gefiel mir nicht.
Ragnar schien das anders zu sehen; er war allerbester Laune, auch Stofisk sprang herum, als hätte er einen Ball verschluckt.
Die Götter schienen sich ebenfalls zu beteiligen, ein strahlend blauer Himmel spannte sich über uns, und die Masse an Menschen um uns herum war wie ein lauter Ozean.
Es dauerte eine Weile, bis wir am Richtplatz ankamen. Ich erfuhr von Stofisk, dass die meisten Hinrichtungen unten am Hafen stattfanden, diese Plattform hier war aus schweren Balken nur für Joakin und Helgs aufgebaut worden. Dahinter, an die Mauer des Tempelplatzes gelehnt, befand sich auch eine Tribüne, die schon zum größten Teil gefüllt war mit geladenen Ehrengästen. Unter den vielen Flaggen befanden sich auch die von Aldane und Bessarein. Die gekrönten Häupter waren angetreten, um ihren Respekt vor der Rechtsprechung der Stadt Askir zu bezeugen. Dass somit ausgerechnet eine grausame Hinrichtung den Kronrat einleiten sollte, schien niemanden zu stören.
An der Plattform angekommen, reihte sich unsere Eskorte in den Ring der Bullen ein, der sich auf zehn Schritt um die Plattform herum mit schweren Seilen in der Hand gegen die andrängende Menschenmenge stemmte. Wir gingen die breite Treppe hoch und suchten Leandra. Wir fanden sie schnell, sie sprach mit dem Kommandanten. Jeder der Könige hatte jeweils vier Leibgardisten dabei, die sich misstrauisch umsahen, so auch beim Kommandanten: Vier Soldaten des Ersten Bullen hielten selbst hier auf der Plattform wachsam Ausschau nach Gefahren und stützten sich auf ihre schweren Turmschilde.
»Nicht immer ist das Volk zufrieden mit der Gerechtigkeit«, erklärte mir Stofisk. »In diesem Fall ist es anders. Wenn wir Joakin einfach in die Menge werfen würden, würden sie ihn zerreißen.«
Leandra war nicht allein, auch Zokora und Varosch waren hier. Varosch trug wieder die Robe eines Adepten, aber sowohl Leandra als auch Zokora waren gerüstet, die dunkle Elfe in ihrer schwarze Rüstung, Leandra in der des Greifen.
»Ihr kommt spät«, meinte Leandra in leicht tadelndem Tonfall, doch sie schien nicht böse zu sein. Sie hatte auf die Perücke verzichtet, ihr kurzes weißes Haar glänzte im Sonnenlicht mit dem feinen Reif auf ihrer Stirn um die Wette. Er stand ihr vorzüglich, vor allem, wenn man ihn mit der überladenen Krone verglich, die einer der Könige auf seinem Haupt trug, ein wahrer Turm aus Gold und Geschmeide. Ein Wunder, dass er nicht darunter zusammenbrach. Dem Wappen nach war er der König von Sertina, Perdis, ein Mann mittleren Alters mit dunklen Augen und einem Spitzbart. Er hätte die Krone zu Hause lassen sollen, sie erdrückte ihn vollends und machte seine Königswürde zu einer Farce.
Prinz Tamin und die Baronetta waren auch zugegen; als sie mich sahen, nickten sie mir leicht zu. Neben dem Prinzen saß Baron von Freise auf seinem Stuhl, daneben stand die Bardin in einem ihrer bunten Kleider, das sich, obgleich figurbetont und etwas offener als vielleicht schicklich, wohltuend von dem Prunk um sie herum abhob. Als sie meinen Blick bemerkte, zwinkerte sie mir zu, Baron von Freise sah auf, sie sagte etwas, und er lachte. Seitdem ich ihn das
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