Der Kronrat (German Edition)
der Hohepriester des Boron nach vorn und sprach davon, dass nach dem Gericht auf dieser Welt den Mörder noch das himmlische erwarten würde, und zerbrach vor dem Gesicht des Mannes einen kleinen Stock. Jetzt trat Bruder Jon vor und verkündete, dass es für jede verlorene Seele ein neues Leben gäbe, manche aber alte Schulden zahlen müssten. Schließlich trat die Priesterin der Astarte vor und bat die Götter um Vergebung – für den Henker.
Ich sah Joakins Gesicht nicht, er stand zur Menge gewandt, doch ich bemerkte, wie er sich verkrampfte, als der Henker mit der schwarzen Maske vortrat und seine Gehilfen ihn ergriffen. Noch versuchte der Mörder, tapfer zu sein, doch als man ihm die Ketten an den Händen löste, um ihn in das Gestell zu binden, fing er an, sich zu wehren. Aber es half ihm nichts. Mit Gewalt und harten Händen wurde er in das Gestell hineingepresst, dann setzte man ihm einen Käfig wie einen Helm auf und bog seinen Kopf nach hinten, sodass seine Schreie nun gegen den Himmel gingen. Einen Moment lang ließ man ihn so, dass die Menge ihn gut sehen konnte, dann schlug man die schweren Leder vor, bis außer den Händen nichts mehr von dem Mörder zu sehen war. Auch der Kopf wurde so verhüllt. Eine kleine Leiter wurde vorgebracht, der Henker stieg sie hinauf und setzte ein gut eine Elle langes Rohr am Mund an und drückte es dem Mörder in den Hals. Die Hände zitterten und verkrampften sich, das ganze Gestell bebte, doch unerbittlich wurde das Rohr eingetrieben, bis es nur noch ein Stück aus seinem Mund ragte. Ein Trichter wurde aufgesetzt, und der Geselle reichte dem Henker die Kanne mit dem kochenden Blei. Der Scharfrichter zögerte nicht einen Lidschlag lang und begann, den Mörder damit aufzufüllen.
Das Gestell erbebte, die Hände streckten sich und zitterten und ballten sich zu Fäusten. Die Menge war so still, dass man das Klackern des Käfigs hörte, und das Blei, wie es schwer in den Trichter floss, doch von dem Mörder selbst kam kaum ein Geräusch, nur ein dumpfes Stöhnen glaubte ich zu hören.
Gut zwei Maß an Blei hatte der Henker hineingefüllt, jetzt trat er mit leerer Kanne von der Leiter und dem Mörder zurück. Aus dem Trichter stieg Dampf auf, das Gestell wackelte und knirschte, die Hände bebten und zitterten noch immer, dann sah ich, wie etwas dampfend in die Wanne tropfte. Ich wandte mich viel zu spät und mit weichen Knien von dem Bild ab, auch mein Magen verkrampfte sich, mir war gehörig schlecht. Ein lauter Seufzer ging durch die Menschenmenge wie ein tosender Atem, dann fing das Gegröle wieder an.
Leandra sah ebenfalls zur Seite weg, nur Zokora und Varosch schauten mit unbewegten Gesichtern zu, während Serafine neben mir ein leises Gebet an Soltar richtete.
Die Gesellen des Henkers trugen das Gestell zur Seite und breiteten ein schwarzes Tuch darüber aus, dann trat Pertok vor und verlas die Anklage gegen den Händler Helgs. Er hatte wohl doch noch mehr gestanden, denn es war eine lange Liste. Und je länger sie wurde, desto ruhiger wurde die Menge, bis Pertoks Stimme laut und klar zu hören war.
Dann trat der Priester des Boron vor, erklärte der Masse, dass es keinen Zweifel daran gab, dass der Verurteilte ein Seelenreiter wäre, er selbst hätte die Dunkelheit in dem Mann gespürt, und sprach das härteste der Urteile aus: keine Gnade der Götter für diesen Mann.
Gemeinsam wandten sich die Priester unserer Götter ab und kehrten dem Block den Rücken zu.
Helgs wurde hinaufgebracht. Er sah recht übel aus, konnte aber noch selbst gehen, noch immer lagen alle drei Fesseln an ihm an. Anders als der Mörder vorher, war Helgs von Anfang an der Angst und Panik erlegen. Er wusste wohl auch, dass es vor dem Gericht der Götter keine Gnade für ihn geben würde, der Dunkle sollte seine Seele haben.
Mit harten Händen wurde er in den Block gedrückt und darauf festgeschnallt, selbst dort nahm man ihm den Knebel nicht ab.
Zokora trat vor und streckte die Hand aus. Ich gab ihr Seelenreißer, der fahl in der Sonne schimmerte.
Sie trat gelassen vor, ihr Gang elegant und dem einer Katze gleichend, schenkte der Menge vor der Plattform nicht die geringste Beachtung, sondern sah nur den Verfluchten auf dem Block mit ihren dunklen Augen an.
»Solante«, sprach sie leise, sodass man sie kaum hören konnte, obwohl eine tiefe Stille auf dem Platz eingekehrt war. »Nimm seine Seele auf, dass du ihn richten kannst!«
Seelenreißer hob sich und fuhr wie ein Blitz herab,
Weitere Kostenlose Bücher