Der Kronrat (German Edition)
durchtrennte den Hals und den Block mit einem Streich – und vier Seelen fuhren freudig in den Himmel auf, während die Meute raunte. Offenbar gab es den einen oder anderen, der die Seelen hatte sehen können, denn hier und da reckte jemand den Hals und folgte ihnen mit seinem Blick hoch zu Soltars Himmel.
Ein Schimmern lief über Zokora, als Seelenreißer ihr das gab, was von dem Verfluchten übrig war, dann trat sie zurück und reichte mir das Schwert. Und noch immer war die Menge still. Erst jetzt holten sie alle gemeinsam Atem, raunten, sprachen und zeigten in den Himmel.
»Können wir jetzt gehen?«, fragte Leandra.
»Ja«, sagte ich. »Ich wünschte, wir wären gar nicht erst zugegen gewesen.«
»Das sehe ich anders«, meinte Zokora grimmig. »Solante ist das Licht, und sie vertreibt die Dunkelheit. Bevor der Dunkle das erhält, was er will, wird Solante diese schwarze Seele noch eine Weile richten. Es ist ihr Recht und ihr Wille, dass sie dem Dunklen diese Seelen vorenthält, denn jedes Opfer an ihn gibt ihm neue Kraft!« Sie schaute zu Leandra hin. »Das war gut getan von dir, dass du ihn meiner Göttin gegeben hast.«
Leandra lächelte schwach. »Von mir aus kann sie sie alle haben.«
50. Die Macht der Eulen
Obwohl wir immer noch wachsam waren und nicht nur meine Blicke hin und her flogen, geschah nichts weiter. Was auch immer Tivstirk vorhatte oder der Nekromantenkaiser selbst plante, diese Gelegenheit hatten sie nicht genutzt.
»Gießt ihr Giftmörder immer mit Blei aus?«, fragte Ragnar auf dem Weg zur Zitadelle. Nun schien auch seine Laune etwas gedrückt.
»Ja«, sagte Serafine knapp.
»Gibt es sie oft in Askir?«, fragte er.
»Nein«, gab ihm jetzt Stofisk Antwort. »Es ist eher selten.«
»Das habe ich mir gedacht«, meinte Ragnar. »Dennoch finde ich es besser, wie man es bei uns löst. Man gibt dem Verurteilten ein Schwert, damit er sich noch wehren kann.«
»Und wenn der Mörder siegt?«, fragte Stofisk neugierig.
»Das kommt hin und wieder vor. Aber früher oder später fällt er doch. Denn bis er fällt, werden immer wieder neue Krieger in den Ring treten. Viele haben so ihr erstes Blut vergossen. Aber sagt, warum war das Gestell mit Leder verhüllt?«
»Manchmal ist der Giftmischer eine Frau«, erklärte Stofisk. »Sie zu verhüllen, schützt die Ehre und die Züchtigkeit der Sera.«
Ragnar sah ihn staunend an und schüttelte dann den Kopf. »Ich stelle immer wieder fest, dass ich manches nicht verstehen werde!«
Er wandte sich mir zu. »Havald«, sagte er leise. »Es wäre mir lieber gewesen, wir hätten der Sera jetzt erst ihre Blumen gebracht. Es wäre der schönere Abschluss gewesen.«
Die Sonne schien, doch die Erinnerung an die Hinrichtung drückte auch mich noch immer, ich konnte nicht anders, als ihm damit recht zu geben. In der Ferne war plötzlich ein dumpfer Schlag zu hören, ein fernes Grollen, doch als ich den Hals reckte und mich umsah, war nichts weiter festzustellen.
»Habt ihr das gehört?«, fragte ich die anderen.
»Ein Donner«, sagte Zokora. »Aber wo er herkam, weiß ich auch nicht.«
Dennoch fühlte ich eine Unruhe in mir, die mich veranlasste, schneller zu gehen. Noch bevor wir die Zitadelle erreichten, kam ein Soldat der Federn auf uns zugerannt. »Der Götter Segen mit Euch, Königin Leandra«, meinte er keuchend und verbeugte sich vor ihr. »Auch mit Euch, Prinz!«, keuchte er wieder und verbeugte sich vor Ragnar. »Priesterin der So-«
»Sag schon!«, fuhr ihn Zokora an.
»Die Eule Asela befindet sich gerade im Kampf mit einem Nekromanten!«
»Wo?«
»Nahe der Zitadelle, am Tor zur Hinterstadt!« Er zeigte mit der Hand, aber das war nicht nötig, denn im gleichen Moment erschütterte ein weiterer dumpfer Schlag den Boden, und ich sah eine Flammensäule in den Himmel schießen.
Wir fanden Asela auf einer Bank unweit des Tors sitzend vor, ein Medikus der Federn half ihr gerade aus der Robe, es war das erste Mal, dass ich sie so gewandet sah. Ihre linke Seite war arg verbrannt, der schwere metallische Stoff der Eulenrobe zum Teil mit ihrer Haut verschmolzen, und wurde nun vorsichtig gelöst. So gebeugt und zerdrückt, das Gesicht vom Schmerz verzogen und die Augen voller Tränen, sah Asela sehr zerbrechlich aus.
Um sie herum bot sich uns ein Bild der Verwüstung, und es war nicht nur sie allein, die Hilfe benötigte. Überall trugen Soldaten Verletzte und Tote aus den Häusern, die in weitem Umfeld nur noch Trümmer waren. Die mit
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