Der Kronrat (German Edition)
Toten, die Verbrannten und die Grube aus Glas vor meinen Augen und schüttelte nur den Kopf. »Wohl kaum.«
»Was jetzt?«, fragte Serafine, als wir das Krankenlager verließen. Ich war tief in Gedanken versunken, dachte an die wundersamen Wege der Götter und wie es dazu kam, dass die größte der Eulen nach diesen ganzen Jahrhunderten wieder hierher zurückgefunden hatte.
Balthasar hatte nicht nur mich beinahe umgebracht, er hatte Nataliya aufs Grausamste gequält, sie wie einen Hund gehalten und anderen vorgeführt. Und doch war er nicht mehr der, der das getan hatte. Ich hätte nicht geglaubt, dass man ihm vergeben konnte, und dennoch tat ich es.
»Hast du etwas gesagt?«, fragte ich Serafine, die an meiner Seite ging.
»Dass wir schlafen gehen sollten.«
»Es ist noch nicht mal die sechste Glocke«, gab ich zu bedenken.
»Wir haben genug getan für heute. Lass uns zu Bett gehen.«
Ich verstand erst, als sie mit in mein Quartier kam und die Tür hinter sich schloss. Sie sah mich aus dunklen Augen an und lächelte.
»Wir haben lange genug gewartet«, sagte sie leise, als sie mir den Knopf am Kragen löste. »Jahrhunderte … Es ist an der Zeit.«
Irgendwann stellte ich schlaftrunken fest, dass der Alb mich diesmal verschont hatte, drehte mich auf die Seite, roch ihr Haar und schlief wieder ein.
Leandra weckte uns. Ich war peinlich berührt, als ich sie vor der Tür vorfand und bemerkte, wie sie an mir vorbeischielte. Vor den Fenstern war es hell, es war weit nach der zweiten Glocke, und ich hatte schon lange nicht mehr so gut geschlafen – und Faihlyds und Armins Fest verpasst.
»Kann ich hereinkommen?«, fragte Leandra und hob eine Kanne hoch. »Ich habe auch Kafje mitgebracht.«
»Du bist uns nicht böse?«, fragte ich, als ich die Tür weiter aufzog. Im Bett regte sich Serafine und zog sich das Laken bis zum Kinn, ihr Haar zerzaust, aber mit einem Lächeln im Gesicht.
»Nein«, sagte Leandra und stellte die Kanne auf dem Tisch ab, um dann Serafine ebenfalls mit einem Lächeln zu begrüßen.
»Wir haben es geklärt«, erklärte Serafine, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte ebenfalls.
So viel von dieser Art Lächeln machte mich nervös, aber ich versuchte, es zu verbergen.
»Wir waren auf Faihlyds Fest«, erklärte Leandra. »Ich habe euch beide entschuldigt. Also braucht ihr nicht so schuldbewusst dreinzuschauen. Ich bin hier, um euch zu berichten, was sich sonst noch getan hat.«
»Gab es noch mehr?«, fragte Serafine und gähnte. Ich zwang mich, von ihr wegzusehen, als sie sich wie eine Katze streckte. »Ich dachte, es wäre genug geschehen.«
»Reichlich«, sagte Leandra. »Es gab einen Eklat. Prinz Tamin beleidigte König Kesler mit wohlgesetzten Worten. Es wäre beinahe zu einem Duell gekommen.«
»Nur beinahe?«, fragte ich enttäuscht und knöpfte meine Jacke zu.
»Man hat es auf den Tag nach dem Kronrat verlegt«, antwortete Leandra mit einem Schmunzeln. »Kesler schien das gar nicht recht, denn er war erpicht darauf, sich mit dem Aldaner zu messen. Dann kam der Höhepunkt des Abends. Faihlyd hat sich diesmal selbst übertroffen. Sie setzte Marschall Hergrimm von der Ostmark den Kopf eines Verräters in Aspik vor.«
Ich verschluckte mich an meinem Kafje und verbrannte mir den Rachen. »Was?«, rief ich und hustete.
Leandra nahm gelassen einen Schluck. »Als Geschenk. Sie sagte, der, dem der Kopf einst gehört hat, hätte den Marschall damit beleidigt, dass er sie angeblich in seinem Auftrag erschlagen wollte. Sie hingegen wüsste, dass er gelogen hat. Also hat sie dem Marschall einen Gefallen getan und ihm den Kopf desjenigen kredenzt, der seine Ehre so beschmutzt.« Leandra schmunzelte. »Elegant gelöst, muss ich sagen, auch wenn es dem Marschall den Appetit verschlug und er alsbald ging.«
»Nur, warum sollte der Marschall gegen Faihlyd angehen?«, fragte ich.
»Es war kein Attentäter, nur ein Spion«, erklärte Leandra. »Was Faihlyd nicht daran hinderte, das meiste daraus zu machen.«
Serafine lachte leise. »Das ist ein alter Trick«, meinte sie. »Aber immer wieder wirkungsvoll. Vor allem, weil der andere sich nicht beschweren darf, denn schließlich hat man ihm einen Gefallen getan und ihn nicht beschuldigt.«
»Genauso ist es«, grinste Leandra. »Dann, später, als das Fest mit Tänzern und Jongleuren die Sinne erfreute, hörte man davon, dass es bei den Varländern wohl noch ein Fest gegeben hatte. Königin Vrelda verkündete dort, dass
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