Der Kruzifix-Killer
Kampfsport-Kursen teil. Zu seiner eigenen Überraschung genoss er die physische Anstrengung des Trainings. Er trainierte wie ein Besessener, und nach einem Jahr waren die Erfolge nicht mehr zu übersehen: Er hatte massiv Muskulatur aufgebaut. Aus der »halben Portion« war ein Athlet geworden. Es dauerte nicht einmal zwei Jahre, bis er seinen schwarzen Gürtel in Karate hatte. Die Schikanen hörten auf, und plötzlich rissen sich die Mädchen um ihn.
Mit neunzehn hatte Hunter seinen Universitätsabschluss in Psychologie, mit dreiundzwanzig seinen Doktor in Kriminal- und Bio-Psychologie. Seine Doktorarbeit mit dem Titel »Eine vertiefende Studie zur Psychologie kriminellen Verhaltens« war als Buch erschienen und inzwischen zur Pflichtlektüre beim Nationalen Zentrum für die Analyse von Gewaltverbrechen beim FBI avanciert.
Alles lief bestens, doch zwei Wochen nachdem Hunter seinen Doktortitel erhalten hatte, brach seine Welt in Scherben. In den vorausgegangenen dreieinhalb Jahren hatte sein Vater beim Sicherheitsdienst einer Filiale der Bank of America am Avalon Boulevard gearbeitet. Bei einem Bankraub, der zu einer wilden Schießerei eskalierte, traf ihn eine Kugel in die Brust. Zwölf Wochen lang rang er im Koma mit dem Tod. Hunter wich keinen Augenblick von seiner Seite.
Diese zwölf Wochen, in denen er still am Bett seines Vaters saß und mit ansehen musste, wie dieser mehr und mehr aus dem Leben schwand, veränderten Hunter. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an Rache. Als die Polizei ihm mitteilte, dass sie keinen Verdächtigen hatten, war Hunter klar, dass der Mörder seines Vaters nie gefasst würde. Eine abgrundtiefe Hilflosigkeit überkam ihn, und das Gefühl widerte ihn an. Nach der Beerdigung seines Vaters traf er eine Entscheidung. Er wollte nicht mehr nur die Psyche von Kriminellen studieren. Er wollte sie selbst jagen.
Also ging er zur Polizei, wo er sich rasch einen Namen machte und mit Lichtgeschwindigkeit durch die Hierarchieebenen aufstieg. Mit gerade mal sechsundzwanzig Jahren brachte er es bereits zum Detective beim Los Angeles Police Department. Bald schon rekrutierte ihn die Abteilung für Mord und bewaffneten Raubüberfall, wo er einem erfahrenen Detective, Scott Wilson, an die Seite gestellt wurde. Sie bildeten ein Team des Morddezernats 1 , Zuständigkeit: Serienkiller und besonders schwere Morde und Gewaltverbrechen. All die Sachen, die aufwendige Untersuchungen erforderten.
Wilson war damals neununddreißig, ein Schwergewicht von knapp ein Meter neunzig Körpergröße bei 130 Kilo Fett und Muskelmasse. Das auffallendste Merkmal an ihm war eine leuchtende Narbe auf seinem kahlen Schädel. Sein bedrohliches Aussehen kam ihm natürlich in seinem Beruf nur gelegen. Wer legte sich schon mit einem Polizei-Detective an, der aussah wie ein übellauniger Shrek?
Wilson war bereits seit achtzehn Jahren bei der Polizei, die letzten neun davon als Detective beim Morddezernat. Zuerst war er alles andere als angetan von der Idee, mit einem jungen, unerfahrenen Partner zusammenzuarbeiten, doch Hunter lernte schnell, und seine scharfsinnigen Analysen und Schlussfolgerungen waren immer wieder erstaunlich. Mit jedem Fall, den sie zusammen lösten, wuchs Wilsons Respekt vor Hunter. Zwischen den beiden entwickelte sich eine tiefe Freundschaft auch jenseits der Arbeit.
Der Stadt Los Angeles mangelte es noch nie an schlimmen und brutalen Morden, doch an Detectives, um sie aufzuklären, sehr wohl. Wilson und Hunter arbeiteten nicht selten an bis zu sechs Fällen gleichzeitig. Der Druck störte sie nicht, im Gegenteil, er beflügelte sie. Doch dann kostete sie ein Mordfall um einen Hollywoodstar beinahe ihre Dienstmarken und ihre Freundschaft.
Bei dem Fall ging es um John Spencer, einen berühmten Plattenproduzenten, der mit drei aufeinanderfolgenden Rock-Alben einen Nummer-eins-Hit schaffte und so ein Vermögen gemacht hatte, und seine Frau Linda. John und Linda hatten sich bei einer After-Show-Party kennengelernt, es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und drei Monate später waren sie verheiratet. John hatte ein herrliches Haus in Beverly Hills gekauft, ihre Ehe wirkte wie aus dem Bilderbuch, alles schien perfekt. Die beiden luden gern Gäste ein, und mindestens zweimal im Monat gaben sie eine extravagante Party an ihrem Swimmingpool, der die Form eines Konzertflügels hatte. Doch das Märchen hielt nicht lange. Ihre Ehe war kaum ein Jahr alt, als die Liebe erkaltete und mit ihr die
Weitere Kostenlose Bücher