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Der Kugelfaenger

Der Kugelfaenger

Titel: Der Kugelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Rydell
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etwas eingeschüchtert?
)
    Mel betrachtet Evelyn in dem großen Spiegel, der die ganze Breite der Wand einnimmt, vor denen die Schminkstühle stehen. „Sehen gut aus, deine Haare“, sagt sie.
    Evelyn lächelt geschmeichelt. „Danke.“
    „Meine Haare sind scheiße“, beschwert sich Mel und zerrt an einer roten Strähne. „Und die Sommersprossen kann man auch vergessen.“ Dann nimmt sie eine Tasche unterm Stuhl hervor und holt eine kleine Schachtel heraus. Eine Arzneimittelpackung. Dann öffnet sie diese und drückt sich zwei kleine Pillen in die Hand. Im nu sind sie in ihrem Mund verschwunden und sie trinkt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche nach, um die Dinger hinunterzuspülen.
    Evelyn beobachtet sie interessiert. Ihre anfängliche Zurückhaltung verfliegt zusehends und schlägt in grenzenlose Neugierde um. „Was schluckst du da?“
    „Antidepressiva“, sagt Mel ohne umschweife und ohne das abgespannte Gesicht zu verziehen.
    Was?
    Ich glaube, ich brauche ein Hörgerät, befürchtet Evelyn.
    „Du nimmst Antidepressiva? Oh, mein Gott.“
    „Nein, keine Angst, ich bin nicht gefährlich oder so. Nur manchmal ein bisschen down.“ Mel macht die passende Handbewegung dazu. „Das hier bekomme ich fast
geschenkt
. Ein Bekannter von mir arbeitet in einem Pharmaunternehmen.“
    Wo denn sonst?
    „Ach so.“ Sie hat bisher noch kein Model kennen gelernt, das das Klischee vom kaputten Drogenwrack so wunderbar ausfüllt wie Mel.
    „Willst du auch was?“ Mel hält Evelyn die Schachtel hin. „Ich habe auch Valium dabei.“
    Cliff reißt seine Augen erschrocken auf, rutscht mit seinem Lockenstab ab und verfehlt nur knapp Evelyns Hals.
    „Ich bin nicht depressiv“, sagt Evelyn cool und ignoriert Cliff.
    „Ich auch nicht, aber die helfen voll. Ohne diese Dinger würde ich keinen Auftritt überstehen.“
    „Nee, ich …“
    Oh, Gott, die ist verrückt. Wetten, dass sie das Zeug von ihrem Arzt verschrieben bekommen hat?
    „Wenn man in diesem Business zu lange beschäftigt ist, ist es ganz normal, wenn man irgendwann mal einen Schaden davonträgt“, flüstert Cliff plötzlich an Evelyns Ohr. „Wenn nicht körperlich, dann zumindest psychisch. Da kann es dann schon mal sein, dass man wie sie da“, er deutet mit seinem Kopf in Richtung Mel, die ihren Kopf auf der Tischplatte abgelegt und die Augen geschlossen hat, „eine doppelte Dosis Valium benötigt, um sich von einem Ende des Laufstegs zum anderen zu schleppen.“ Er richtet sich wieder auf und vollendet eine weitere Locke.
    Evelyn starrt ihn im Spiegel an. „Was genau wollen Sie mir damit sagen?“
    „Sie sollten aufpassen, dass es Sie nicht auch kaputt macht“, sagt er, ohne von ihren Haaren aufzusehen.
    ***
    Noch während Cliff mit ihren Haaren beschäftigt ist, steht Evelyn zwischen unzähligen Kleiderständern mit den (un-)möglichsten Unterwäschekreationen, die man sich nur vorstellen kann und hat Mühe, eine drohende Panikattacke zu unterdrücken. Sie kann nirgends ihren Namen lesen. Sie weiß somit nicht, welches Modell sie vorführen soll.
    „Ich weiß nicht, wo Ihre Sachen sind“, sagt Cliff achselzuckend. „Fragen Sie doch Trixi“, schlägt er vor. „
Sie
ist schließlich dafür zuständig.“
    Evelyn nickt bedächtig. „Ja, genau. Das werde ich machen.“ Ihr Blick fällt auf zwei junge Mädchen, die zwischen den Kleiderständern stehen und lachen. Sie sehen nicht so aus, als wären sie schon volljährig. Sie könnten noch eine langjährige und großartige Karriere vor sich haben. Mit einem Mal überkommt Evelyn ein Gefühl, das sie noch nicht so oft zuvor in ihrem achtundzwanzigjährigen Leben gefühlt hat. Und dieses Gefühl wird auch nicht besser, als sie sich weiter umsieht. Sie ist hier fast die Älteste. Und wohl so gut wie die einzige, bei der sich die Haut an manchen Stellen leicht eindellt, wenn sie mit den Fingern über ihre Schenkel streicht. Und mit Augenfalten werden die durchschnittlich zwanzigjährigen Mädels hier auch noch nicht zu kämpfen haben. Sie fühlt sich zum ersten Mal überhaupt so richtig alt.
    „Miss Williams?“
    „Was?“
    „Sie sind noch nicht geschminkt.“ Cliff schwenkt zur Verdeutlichung ungeduldig einen Pinsel in der Luft.
    „Wie heißen Sie?“ Evelyn kneift die Augen zusammen.
    „Äh … Cliff“, sagt Cliff.
    „Also, Cliff, können Sie mir etwas Geld leihen?“, fragt Evelyn da. „Sie bekommen es auch wieder zurück. Versprochen.“
    Das irritiert Cliff ziemlich. „Äh … ja … sicher

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