Der Kugelfaenger
Zimmerservice erscheint in Form eines jungen Mannes, der kaum älter als achtzehn sein kann. Tom lässt ihn ein und der Typ schiebt ein kleines Servierwägelchen herein. Als er damit beginnen will, das Frühstück auf dem Sofatisch auszubreiten, kommt ihm Tom zuvor. „Das ist schon in Ordnung so“, sagt er. „Lassen Sie das Zeug einfach dort stehen. Ich mache das.“
Der Junge schaut ein wenig blöd drein, macht sich dann aber unverrichteter Dinge wieder vom Acker. Tom schließt die Tür hinter ihm, kaum dass er in den Flur getreten ist. Dann kommt er zu Evelyn zurück und lässt sich auf das Sofa sinken.
„Wissen Sie was ich gesehen habe, als ich dem Typen vom Zimmerservice die Tür geöffnet habe?“ Er rutscht unruhig auf der Couch herum.
„Ein Kamel, das Purzelbäume geschlagen hat?“
„Nein“, sagt er und zappelt wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Ich habe die Lösung für unser
Kleidungs
problem.“
Evelyn sieht von der Tasse auf, in die sie gerade schwarzen Kaffee geschüttet hat. „Wie darf ich das verstehen?“
„Da draußen fängt gerade eine Hotelangestellte an, die Kleidungsstücke in den Zimmern zu verteilen, die in der Wäscherei gewaschen wurden.“ Er reibt seine Hände aneinander. „Das ist ein ganzer Haufen Klamotten. Es würde mit Sicherheit nicht auffallen, wenn dort ein, zwei Teile weniger dabei sind …“
Jetzt geht ihr ein Licht auf. „Sie haben aber nicht vor, die arme Frau zu überfallen, die die Kleidung der Hotelgäste wieder austeilt, oder?“
Tom lässt sich in das Sofa zurückfallen. „Wieso nicht?“
„Wieso nicht? Haben Sie allen Ernstes gerade gefragt,
wieso nicht
?“ Sie sieht ihn ungläubig an. „Na, weil das
Diebstahl
ist!“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie damit ein Problem haben.“
Sie mustert ihn argwöhnisch über den Rand der Kaffeetasse hinweg. „Was genau meinen Sie damit?“
Er beugt sich vertraulich ein wenig zu ihr vor und sagt mit einem gespielten Raunen: „Na ja … ich weiß von Ihrer dunklen Seite.“ Er sieht sich schnell im Zimmer um, so als könnte jederzeit ein Reporter aus den Ecken springen und Evelyns dunkle Seite auf der Titelseite eines Klatschblattes bringen.
Evelyn starrt ihn verständnislos an. „Wovon reden Sie, zum Teufel? Sie machen mir direkt Angst, Tom.“
Er knetet verlegen seine Hände, so als ob ihm das ganze megaunangenehm wäre. Dabei ist eher das Gegenteil der Fall. „Na ja, ich weiß, dass Sie gelegentlich von Modenschauen und Fotoshootings Dinge, wie zum Beispiel Kleidung oder Schuhe mitgehen lassen.“
Sie sitzt da und kann ihn nur sprachlos anschauen.
„Tja und ich weiß auch, dass Sie aus den Hotelbädern gerne die Duschgele und die Shampoos mitnehmen. Ich habe die kleinen Fläschchen in Ihrem Nachtkästchen gefunden, nachdem ich mich gewundert habe, wo das ganze Zeug hingekommen ist. Ich frage mich nur, wie Sie das mit nach Hause nehmen wollen, da Sie doch keine Tasche haben. Aber die Sammlung bei Ihnen zu Hause in Ihrem Badezimmer ist wirklich
außergewöhnlich
.“
Sie kneift ihre Augen zusammen. „Machen Sie sich gerade über mich lustig?“
„Oh, nein, nein, keines Falls.“
„Haben Sie ein Problem mit meiner kleinen Schwäche?“
„Nein, nein. Ich schätze nur, bei Ihnen ist das schon zwanghaft.“
„
Zwanghaft
?“
„Zwanghaft“, bestätigt er mit einem Kopfnicken.
„Ist es nicht!“
„Ist es sehr wohl.“
„Das ist kein Zwang!“
„Gut, einigen wir uns darauf, dass Sie auf Modenschauen
nicht
zwanghaft Kleidung und Schuhe mitgehen lassen und dass es sich auch um
keinen
Zwang handelt, wenn Sie aus Hotelbädern die kleinen Fläschchen mit Duschgel und so entwenden, selbst wenn sie mittlerweile schon drei Körbe voll mit dem Zeug in Ihrem Bad stehen haben.“
„Sie sind ein Mistkerl, Tom.“
„Ich weiß. Aber ein genialer Mistkerl.“
Sie betrachtet ihn einen Moment eingehend, dann meint sie: „Also gut. Aber
Sie
sind derjenige, der das Zeug klaut.“
Aber Tom schüttelt entschieden den Kopf. „Das halte ich für keine gute Idee. Sie wissen doch, dass ich bereits vorbestraft bin. Wenn die mich jetzt auch noch erwischen…“ Er lässt seinen Satz unvollendet.
„Ich bin Model“, hält Evelyn dagegen. „Ich kann nicht riskieren, erwischt zu werden.“
„Wollen Sie nackt durch die Stadt laufen?“
Sie seufzt. Sie schüttelt resigniert den Kopf. Sie seufzt wieder. „Na schön. Gut, ich mach’s.“ Sie stellt ihre Tasse auf den Tisch. Dann steht sie auf und
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