Der Kugelfaenger
gehört. Von dem Typen, der vor irgendeiner dieser Banken in New York in die Luft gejagt wurde. Es war sogar in London ganz groß in den Nachrichten gewesen. Schließlich wird nicht jeden Tag irgendein Kerl mitten in einer amerikanischen Großstadt in die Luft gesprengt und außerdem hat man Angst gehabt, es könnte sich um einen Terroranschlag handeln. Sie kann sich allerdings nicht mehr erinnern, ob der betreffende Mann überlebt hat oder nicht.
„Kannst du dir vorstellen, wie das ist, wenn vor deinen Augen ein Kerl von einer Bombe in Stücke gerissen wird und du nichts tun kannst, außer zusehen?“ Sein Gesicht ist wie erstarrt und sein Blick ist leer.
Nein, das kann sich Evelyn nicht vorstellen – und das will sie auch gar nicht. Doch da denkt sie daran, wie es wohl für ihre Eltern gewesen sein muss, von einem Sprengsatz zerfetzt zu werden. Für die Mutter war es wohl nicht allzu schlimm gewesen, sie war ja augenblicklich tot. Nur für den Vater … na ja. Der war erst ein paar Tage später an seinen Verletzungen gestorben. Evelyn schüttelt sich, um die Gedanken loszuwerden, die sie sich schon ziemlich lange nicht mehr gemacht hat und zwingt sich, sich wieder auf Tom zu konzentrieren. „Und dein Vater hält dir das seitdem vor“, sagt sie fast im Flüsterton.
Tom beißt die Zähne zusammen. „Ich habe seiner Firma einen ziemlichen Imageverlust zugefügt. Das hat er noch nicht ganz überwunden.“
Jetzt versteht sie auch, warum er jedes Taxi zuerst genauer unter die Lupe genommen hat, bevor er sie hat einsteigen lassen. Er steht mit gesenktem Kopf da und sieht ziemlich fertig und mitgenommen aus. Sie kommt näher, streckt ihre Hand aus und berührt mit ihren Fingerspitzen leicht seine Wange. „Das tut mir so leid“, flüstert sie. „Ich bin so dermaßen blöd.“
Tom bringt ein kleines, müdes Lächeln zustande. „Ja, das stimmt. Manchmal bist du blöd. Aber nicht immer“, flüstert er zurück. Dann nimmt er ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsst sie.
„Denkst du jetzt wieder ‚Scheiße!’ oder ‚Bitte nicht!’?“, fragt sie ihn, als er schließlich seine Lippen von den ihren löst.
Er grinst, sodass sich die Fältchen um seine Augen tiefer eingraben. „Jetzt denke ich: ‚Oh Scheiße, bitte bloß nicht!’“
18. Kapitel
Donnerstag, 22. Juli
Es ist still. Die Sonne verteilt durch die winzigen Fenster schon ihre zarten Strahlen im Zimmer und vertreibt nach und nach auch noch die letzten Regenwolken vom Himmel.
Fast zur gleichen Zeit, als der Zeiger des Weckers lautlos auf halb sieben springt, öffnet Evelyn ihre braunen Augen, blinzelt und schließt sie wieder. Dann blinzelt sie erneut gegen die Morgensonne an, gähnt und streckt sich genüsslich. Dann dreht sie ihren Kopf zur anderen Seite und hält erstaunt inne. Sie liegt alleine im Bett.
Wo ist Tom?
Zur selben Zeit, als sie sich diese Frage stellt, hört sie ein gedämpftes Schnarchen. Verwundert blickt sie aus dem Bett und in Toms Gesicht. Er liegt auf dem kleinen Teppich neben dem Bett und schläft. Er hat sich vom Sofa eine Decke geholt und sich darin eingewickelt. Seine nackten Füße sehen auf der anderen Seite heraus.
Evelyn lächelt. Das Bett ist wirklich
sehr
schmal.
Sie sitzt mit angezogenen Beinen auf der Bettkante und betrachtet den selig schlafenden Tom eine Weile.
Oh Mann, sind seine Zehen sexy. Und seine Ohrläppchen erst. Das ist ihr letzte Nacht gar nicht aufgefallen. Na ja, es war ja auch dunkel.
Dann steht sie leise auf und hebt ihre Sachen vom Boden auf. Dann zieht sie ihr schwarzes Kleid über ihre nackte Haut und macht den Reisverschluss im Rücken zu. Zum Schluss sammelt sie noch Toms Kleidung ein und legt sie ordentlich auf einen Haufen auf das Bett. Sie ist sehr vorsichtig. Sie will nicht, dass er aufwacht. Sie kann diese Sätze, Gesten und Blicke in solchen Situationen nicht leiden. Sie ist lieber weg, bevor er überhaupt merkt, dass sie da war. Aus diesem Grund nimmt sie ihre Tasche und die Schuhe mit den hohen Absätzen in die Hand und verlässt barfuß und so leise wie nur irgendwie möglich die Wohnung über der Garage.
Tom wacht vom Knarren der Tür auf und sieht nur noch ihren Arm, als sie diese hinter sich zuzieht.
Er bleibt noch ein paar Minuten liegen und versucht, das angenehme Gefühl, das sich irgendwo in seiner Magengegend befindet, noch ein bisschen zu genießen. Dann fährt er sich mit seinen Händen übers Gesicht und durch die Haare und steht anschließend auf. Sein
Weitere Kostenlose Bücher