Der Kugelfaenger
kriegt keinen Ton heraus.
Evelyn schüttelt den Kopf und stützt ihn in ihre Hände.
„Tom Hunt“, stellt er sich vor, ohne dabei an seinem charmantesten all seiner Lächeln zu sparen. Wie in Trance ergreift Vicky seine ausgestreckte Hand.
„Das ist meine beste Freundin. Victoria“, sagt Evelyn kühl, weil Vicky selbst nicht in der Lage dazu ist.
„Freut mich“, sagt Tom. Dann lässt er Vickys Hand wieder los und wendet sich an Evelyn. „Ich habe mir vorhin das Holz Ihrer Veranda angesehen und festgestellt, dass eine der Verandastufen ziemlich locker ist.“
„Verlangen Sie jetzt etwa von mir, dass ich sie reparieren lasse?“ Sie blinzelt ihn gegen das Sonnenlicht wütend an.
„Oh, nein, nein, im Gegenteil. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich die lockere Stufe durchaus toll finde.“
„Wie darf ich das jetzt verstehen?“ Sie sieht ihn argwöhnisch an.
Tom grinst. „Na, ich habe die große Hoffnung, dass ein möglicher Eindringling erst gar nicht ins Haus gelangt, weil er sich schon an der Treppe das Genick bricht.“
Evelyn sagt nichts mehr, sie kann über ihn nur den Kopf schütteln.
Eine Weile steht er schweigend herum, in der er sich reichlich blöd vorkommt, blickt abwechselnd auf seine Schuhe oder seine Finger.
Evelyn ignoriert ihn und Victoria ist sowieso sprachlos.
Irgendwann wird es Tom zu dumm. „Na, dann werde ich die Damen jetzt wieder mal in Ruhe lassen“, sagt er und lächelt leicht gequält.
Evelyn nickt zustimmend und meint: „Schleimen Sie immer so rum?“
Tom beginnt zu grinsen. „Warten Sie’s nur ab. Ich kann auch noch besser“, verspricht er.
Evelyn zuckt nicht mal mit der Wimper, als sie sagt: „Passen Sie auf, dass Sie auf Ihrer Schleimspur nicht ausrutschen und auf die Fresse fliegen.“
„Ich werde mein Möglichstes tun“, sagt Tom mit einem Grinsen und entfernt sich wieder.
Sobald Tom außer Hörweite ist, beugt sich Victoria verschwörerisch über den Tisch und raunt Evelyn zu: „Also, ich finde ihn ja äußerst attraktiv. Und diese Augen. Hammer. Wenn du ihn nicht mehr haben willst, kannst du ihn gerne mir überlassen. Mit einem Bodyguard irgendwo aufzutauchen würde doch gleich viel mehr Eindruck schinden, oder?“
Evelyn schnaubt verächtlich. „Von mir aus kannst du ihn gerne haben. Aber ich warne dich: Der Typ hat echt ’ne Macke, ich sag’s dir.“ Sie beugt sich vertraulich zu Victoria vor. „Heute Morgen hätte er fast eins meiner Hühner umgebracht, weil es sich vor seine Tür gesetzt hat. Der wäre vor Angst fast ausgeflippt. Und nach dem Frühstück meinte er, dass ich meine Schuhe im Flur durchaus noch mehr verstreuen sollte. Somit würde ein Einbrecher vielleicht schon an der Tür gestoppt werden.“ Sie schnaubt abschätzig. „Und dann hat er mir einen Kostenvoranschlag aufgetischt, was seiner Expertenmeinung nach alles getan und eingebaut werden müsste, um das Haus weitgehend sicher zu machen, dass mir Hören und Sehen vergangen ist.“
„Was hast du ihm gesagt?“
„Ich habe ihm klar gemacht, dass er sich seine Alarmsysteme, Spezialkameras und stahlverstärkten Sicherheitstüren sonst wo hinschieben kann.“
Sie sehen Tom zu, wie er wieder seiner zweifelhaften Arbeit nachgeht und nun um die Garage herumschleicht und allem Anschein nach die Schritte, die er dafür benötigt, abzählt.
„Hm“, sagt Vicky. „Zugegeben, vielleicht ist er etwas zu alt für dich, aber wenigstens musst du ihn dir nicht mehr schön saufen“, meint sie dann kichernd.
„Das ist aber auch das einzig Positive.“ Sie meint nach einer Weile: „Zuerst habe ich mir überlegt, ihm eine Henne ins Bett zu setzen. Der Typ hätte meine gute alte Bess doch tatsächlich erschossen, wenn ich nicht da gewesen wäre!“
„Gute alte Bess – das ist ja das Problem. Dein Bodyguard hätte sie ruhig umbringen können. Die ist eh zu alt zum Eierlegen. Die frisst euch doch nur das Futter weg. Früher oder später wird deine Tante sowieso Hühnersuppe aus ihr machen.“
Evelyn teilt allerdings nicht Victorias Meinung. „Das kommt nicht in Frage! Auf keinen Fall! Das ist Onkel Henrys Huhn. Und das weißt du genau.“ Damit ist dieses Thema für Evelyn erledigt. Denn das nächste fordert schon ihre ganze Aufmerksamkeit: Tom Hunt.
Tom hat seine Runden um die Garage abgeschlossen und ist im Moment damit beschäftigt, die Efeu-Rankhilfe an der Hausmauer neben Evelyns Zimmer höchst konzentriert zu erklimmen. Schritt für Schritt, Armzug um Armzug, zertretenes
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