Der Kugelfaenger
Blümchen! Das lässt alles hängen. Dabei gieße ich es sowieso jeden Tag. Und du bist doch der Blumenkenner.“
Evelyn betrachtet prüfend die hängenden Blätter und welken Blüten der Rose, während Victoria wieder halb im Auto verschwindet. Evelyn dreht die schlappen Blätter um.
Aha, da haben wir’s! Hier sitzen die Übeltäter also.
„Kein Wunder, dass das Teil so aussieht. Dein Gießen war wohl doch zu viel des Guten. Du hast Läuse.“
Victoria schießt aus dem Wagen hoch. „Was?“, schreit sie schon fast.
Evelyn muss beim Anblick ihrer Freundin lachen. „Nein, doch nicht
die
Läuse! Ich meine
Blattläuse
.“
Victoria sieht etwas beruhigter aus. „Na ja, kann schon sein.“
„Außerdem müsstest du die Rose ins Freie setzen.“
Victoria runzelt die Stirn. „Gut. Du kannst sie behalten. Ich habe keinen Garten.“ Sie schließt so geräuscharm wie möglich den Kofferraum und die Tür, um ihren kleinen Sohn nicht zu wecken. Sie geht herum zu Evelyn und richtet dem Kleinen das Mützchen wieder richtig hin, da ihm die winzigen Ohren herausschauen.
„Komm, wir gehen hinter in den Garten. Der Kleine ist gerade eingeschlafen. Nicht dass er noch aufwacht und wieder losbrüllt.“ Sie lässt die Scheibe an der Tür herunter und sieht über Evelyns Schulter neugierig in den Garten. „Du hast doch Zeit, oder?“
„Ja klar. Komm.“ Evelyn dämmert, dass das mit der Rose nur ein Vorwand war, um ihren Bodyguard begutachten zu können.
Evelyn hält die Rose fest im Arm und geht voran. Sie gehen über den Rasen und durch die Blumenbeete und setzen sich an einem kleinen runden schmiedeeisernen Tischchen mit ebenfalls zwei schmiedeeisernen Gartenstühlen, mitten im blühenden Blumenmeer, hin.
Sie reden über das wundervolle Wetter, dann meint Evelyn plötzlich: „Müsste Sammy nicht im Kindergarten sein?“
„Was?“
„Sammy – Kindergarten – heute?“
„Ach, eigentlich schon“, seufzt Victoria. „Aber zuerst hat er sich an der Waschmaschine die Finger eingeklemmt und es hat einige Zeit gedauert, bis ich ihn wenigstens halbwegs beruhigt hatte.“ Sie seufzt noch ein weiteres Mal. „Tja, und dann wollte er sich nicht anziehen und ist in Unterwäsche in der Wohnung herumgehopst und hat wie am Spieß gebrüllt. Man konnte meinen, jemand hat seinem Kuscheltier den Kopf abgerissen und dann damit Fußball gespielt. Da war’s dann aber eh schon zu spät, um noch rechtzeitig zu kommen. Und Ben, dieses Arsch hat sich schon beim ersten Anzeichen von Ärger wieder aus dem Staub gemacht.“ Sie lächelt grimmig. „Ich hätte ihn niemals heiraten sollen. Und ich würde es auch nicht mehr tun.“
Evelyn runzelt die Stirn. „Warum nicht?“
„Weil er morgens so schnell wie möglich aus der Wohnung flüchtet, damit
er
sich nicht mit seinem Sohn herumärgern muss. Dafür nimmt er sogar in Kauf, dass er ewig warten muss, bis der Hausmeister kommt und die Firma aufschließt. Und wenn er dann wieder heim kommt, pflanzt er sich vor den Fernseher, damit nicht
er
schauen muss, wie er Sammy davon überzeugen kann, dass Badewasser überhaupt nicht gefährlich ist und auch nicht seine Haut auflöst und dass in der Toilette keine fiesen Monster stecken, die einen in die Kanalisation entführen, wenn man sich draufsetzt. Dazu kommt, dass er unserem Kleinen noch
kein einziges
Mal die Windel gewechselt hat und sich auch ansonsten von allem fern hält, was im Entferntesten mit Hausarbeit zu tun hat. Dabei war
er
derjenige, der noch ein zweites Kind wollte.“ Vicky ist ziemlich wütend. Aber noch größer ist ihre Enttäuschung.
In dem Moment kommt Catherine aus dem Haus und bewegt sich mit trippelnden Schritten auf die beiden zu. Sie hat eine Kanne mit Kaffee und drei Tassen dabei. Sie stellt das Zeug auf den wackelnden Minitisch und begrüßt Victoria freundlich.
„Na, lässt du dich auch wieder einmal blicken? Sind die Kleinen auch dabei?“
Victoria lacht. Sie weiß, wie sehr Evelyns Tante ihre Söhne mag.
„Der eine schläft im Auto und beim anderen weißt du ja wo du ihn findest.“
„Zu Sammy muss ich gleich mal gehen. Vielleicht mag er ein paar Kekse. Und den kleinen Engel muss ich dann auch noch sehen“, sagt Catherine und lächelt.
„Auch Engel können zu kleinen Teufelchen mutieren“, meint Victoria.
„Aber doch nicht deine süßen Kinder!“, entrüstet sich Catherine.
Evelyn gießt sich eine Tasse Kaffee ein. „Hast du damit schon Erfahrungen gesammelt?“
Victoria schnaubt. „Ach,
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