Der Kugelfaenger
Efeublatt um zertretenes Efeublatt, kommt er seinem Ziel, dem Balkon, näher. Das sieht Evelyn in dem Augenblick, als er schon auf gleicher Höhe mit dem Balkongeländer ist und gerade seinen Arm ausstrecken möchte. Sie stößt einen spitzen Schrei aus, springt wie von der Tarantel gestochen auf und wirft ihre Tasse um, sodass sich der restliche Kaffee über den Tisch ergießt. „Mr. Hunt!“, ruft sie erbost. „Was fällt Ihnen ein?!“
Tom wendet seinen Kopf und sieht sie erstaunt an. „Wie bitte?“
Evelyn läuft rot an. „Was machen Sie da oben, wenn ich fragen darf?“
Tom lässt mit einer Hand los und schüttelt sie aus. „Ich überprüfe Ihre Sicherheit“, sagt er ernst.
„Ach ja?“
„Nach was sieht’s denn sonst aus?“
Evelyn verschränkt ihre Arme vor der Brust. „Ich glaube, dass Sie schleunigst da runterkommen sollten, bevor Sie das Rankgitter kaputtmachen!“, donnert sie. „Das ist altes, morsches Holz und bestimmt nicht für Turnübungen geeignet! Außerdem zertreten Sie mir den schönen Efeu!“
Tom blickt auf die verärgerte Evelyn hinab, lächelt still in sich hinein und klettert dann brav wieder herunter. Er klopft seine Hose und sein T-Shirt ab.
„Sie sind doch wahnsinnig!“, sagt Evelyn und tippt sich an den Kopf. „Was hatten Sie da oben zu suchen?“
„Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich habe Ihre Sicherheit überprüft.“ Tom schüttelt bedauernd den Kopf. „Aber was ich da sehe, gefällt mir gar nicht.“ Er dreht sich halb um und zeigt auf die hölzerne, von Efeu fast vollständig überwucherte Rankhilfe. „Dieses Rankgitter ist
gefährlich
“, meint er eindringlich.
„Habe ich Ihnen gesagt, dass Sie da herumsteigen sollen?“ Evelyn ist nicht zu bremsen.
„Moment, Moment“, sagt Tom beschwichtigend. „Ich glaube, Sie haben nicht ganz verstanden, worauf ich hinaus will.“
„Ach? Aber
Sie
wissen es?“
Tom seufzt und vergräbt seine Hände in den Hosentaschen. „Sehen Sie’s doch mal so: Wenn ich da raufklettern konnte – und ich hätte mich auch noch auf Ihren Balkon schwingen können – dann kann das theoretisch auch
jeder andere
. Verstehen Sie?“
Evelyn sieht ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Dann schüttelt sie den Kopf und lässt ihn einfach stehen. Zurück bei Victoria sagt sie: „Weißt du jetzt, was ich meine?“
Victoria grinst. „Ich finde ihn gar nicht mal so übel. Ich würde vorschlagen, du lernst ihn erstmal besser kennen.“
„Bist du dir sicher, dass ich das überhaupt will?“
„Hm.“ Victoria sieht ihre Freundin nachdenklich an. „Du könntest es zumindest versuchen. Wenn du dich dazu überwinden kannst.“
Evelyn beginnt leise zu grinsen.
„Was hast du vor, Evelyn?“ Vicky sieht ihre Freundin alarmiert an.
„Ich werde Rajesh auf ihn hetzen.“
Victoria verdreht die Augen und widmet sich lieber ihrer Tasse Kaffee.
Nach einer Weile beginnt Vickys kleiner Sohn im Wagen zu brüllen und sie erhebt sich von ihrem Eisenstuhl, weil sie, wie sie selbst sagt, sowieso nach Hause muss, weil Ben heute ausnahmsweise mal zum Mittagessen nach Hause kommt. Ihren anderen, älteren Sohn, muss sie erst noch zwischen Hühnern und Futtersäcken aus dem Gewächshaus herausziehen, bis sie nach Hause fahren kann.
***
Ungefähr zur selben Zeit, als Catherine, Evelyn und Tom auf der Veranda sitzen und ein schweigsames Mittagessen genießen, wird in einem noblen Restaurant am anderen Ende der Stadt, folgendes Gespräch geführt:
„Es gibt ein Problem, Sir“, sagt der eine.
„Ich mag keine Probleme“, sagt der andere.
„Ich weiß.“
„Warum gibt es dann eines?“
„Weil ein Bodyguard aufgetaucht ist.“
Das verschlägt dem anderen für einen kurzen Moment die Sprache. Er tippt mit seinen schwarzen, blank geputzten Lederschuhen ungeduldig auf den Fußboden und bläst langsam den Rauch seiner Zigarette aus.
„Und warum jetzt auf einmal? Ich dachte, die hätten sich geeinigt, dass sie keinen brauchen!“
„Ich weiß es nicht.“ Der eine hätte genauso gut fragen können, warum der Wind weht.
„Hast du schlampig gearbeitet?“, will der mit den glänzenden Lederschuhen wissen.
„Gewiss nicht“, beeilt sich der andere zu sagen. „Ich habe allen Sicherheitsfirmen in der Umgebung Druck gemacht. Sie haben damit nichts zu tun.“
„Weist du seinen Namen?“
Der andere zögert. „Nein“, sagt er dann. „Noch nicht. Ich weiß nur, dass der Typ aus den USA kommt. New York oder so.“
„Das hätte ich
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