Der Kugelfaenger
es einfach nicht mehr auszuhalten.“ Sie schüttelt bekümmert den Kopf. „Und dann übertreibt sie manchmal auch maßlos. Zum Beispiel mit Ihnen.“ Evelyn sieht Tom an.
Tom starrt zurück. Er versteht nicht ganz, worauf sie hinaus möchte. „Warum übertreibt sie mit
mir
?“
Evelyn seufzt. „Sie hat sich nach dem ersten Drohbrief in den Kopf gesetzt, dass ich unbedingt Personenschutz brauche. Nach dem zweiten hat sie George damit angesteckt und nach dem dritten hatte sie Ihre Sicherheitsfirma am Haken.“
„Das war Ihre Tante?“
Sie nickt. „Tante Catherine zusammen mit George.“
„Und wer ist dann der Freund meines Chefs, der ihn um Hilfe gebeten hat?“
Evelyn legt die Stirn in Falten. „Das ist Jean, für den ich unter anderem arbeite. Catherine hat seinen Namen irgendwie geschickt ins Spiel gebracht und schon hat Ihre Agentur angebissen. Jean hat mit dem ganzen nichts zu tun. Im Gegenteil – er findet einen Bodyguard genauso übertrieben wie ich.“
„Aha.“
„Was ist mit Ihnen? Finden Sie das nicht auch etwas übertrieben? Ich meine, ich brauche doch keinen Bodyguard.“
„Natürlich brauchen Sie keinen Bodyguard.“ Tom lächelt belustigt. „Sie erhalten ja
nur
Drohbriefe, die ich nicht sehen darf.“
„Ich finde das nicht lustig.“
„Ich auch nicht.“
„Dann ist ja alles klar.“
Nach einiger Zeit hartnäckigen Schweigens.
Tom sagt: „Darf ich also daraus schließen, dass bei Ihnen noch nie ein Bodyguard beschäftigt war?“
„Ja, das dürfen Sie.“
„Darf ich fragen, warum nicht?“
„Das dürfen Sie auch. Und meine Antwort lautet: Bis jetzt bin ich auch gut ohne ausgekommen. Ich lebe sogar noch.“ Sie lächelt provozierend.
Tom ignoriert das. „Wer war bis jetzt für Ihre Sicherheit zuständig?“
Evelyn rührt in ihrer Tasse. „Niemand“, sagt sie rundheraus. „Also, ich meine, niemand bestimmtes. Bei den Auftritten auf dem Laufsteg gab es natürlich immer das lokale Sicherheitspersonal. Und sonst hatte ich auch manchmal noch meinen Manager. Jetzt allerdings nicht mehr, weil dieser blöde Hund erst kürzlich gekündigt hat.“ Sie schüttelt verständnislos den Kopf.
„Aha. Und es kümmert Sie überhaupt nicht, dass Sie den Drohungen eigentlich schutzlos ausgeliefert sind?“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.
„Wieso schutzlos ausgeliefert?“, stichelt sie und sieht Tom über den Rand ihrer Tasse hinweg an. „Jetzt habe ich ja Sie. Da sollte mir eigentlich nichts mehr passieren dürfen.“
Sie dreht und wendet es, wie es ihr gerade in den Kram passt. Und dabei vergisst sie nicht, immer wieder kleine Nadelstiche in Toms Richtung abzugeben.
„Sie sollten wissen, dass ich nicht freiwillig hier bin“, sagt Tom. Irgendwie hat er das Gefühl, sich vor ihr rechtfertigen zu müssen.
Evelyn lächelt. „Von mir aus können Sie auch gerne wieder gehen. Ich hätte nichts dagegen.“
„Oh ja, das glaube ich Ihnen.“
„Von mir aus müssen Sie hier auch nicht herumlungern und warten, bis jemand aus der Hecke springt und mir an die Gurgel geht.“ Sie schüttelt ihre Haare und sieht ihn dann ernst an. „Gibt es keine Möglichkeit, Sie loszuwerden?“
Tom überlegt. „Natürlich gibt es die.“
Evelyn sieht ihn gespannt an und wartet, dass er fortfährt. „Ja und?“
Tom dreht die Tasse zwischen seinen Händen. „Sie lassen mich gehen und irgendwo Urlaub machen. Mein Boss darf davon allerdings nichts erfahren. Er muss denken, dass ich noch bei Ihnen beschäftigt bin. Sie werden also schön brav an meine Firma weiterzahlen.“
„Ich verschleudere mein Geld doch nicht umsonst.“ Evelyn schnaubt. „Gibt es keine andere Möglichkeit?“
„Nein“, sagt Tom nach kurzem Überlegen.
„Mist.“
Fünf Minuten danach.
Evelyn holt eine Flasche Mineralwasser. Sie hat anscheinend selbst gemerkt, dass mit dem Tee irgendwas nicht so ganz stimmen kann. Als sie zurückkommt und ihre Tasse voll gießt, nimmt Tom das zum Anlass, um sie noch einmal auf die Drohungen anzusprechen. Evelyn sträubt sich allerdings noch immer ein wenig.
„Bis jetzt habe ich drei Briefe bekommen“, räumt sie nach einer Weile unwillig ein.
Tom verbeißt sich einen Kommentar.
„Der erste kam vor ungefähr drei Wochen. Der zweite die Woche darauf und der dritte letzte Woche.“
„Und wo sind die Briefe jetzt?“
Evelyn zögert kurz. „Nicht mehr hier.“
„Und wo sind sie dann?“
„Mittlerweile wahrscheinlich schon auf einer Mülldeponie.“
„Sie
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