Der Kugelfaenger
entschieden hat, als Gesicht für die Werbekampagne. Und obwohl das schon über ein Jahr her ist und kein Hahn mehr danach kräht, nimmt sie mir das bis heute noch übel und ätzt in jedem dritten Interview gegen mich, diese Ziege. Einer meiner Gründe, keine Interviews zu geben.“
„Wenn das mal kein handfestes Motiv ist“, meint Tom.
„Interpretieren Sie so viel Sie wollen. Aber ich glaube trotz allem nicht, dass Sie bei dieser blöden Kuh Erfolg haben werden. Außer anderen Personen übel nachreden, kann die nämlich nichts. Die braucht sogar zum Anziehen ihre persönlichen Assistentinnen. Drohbriefe zu verfassen, die nur aus einem einzigen Wort bestehen, dürfte ihre Intelligenz bei weitem übersteigen.“
Tom grinst still in sich hinein.
„Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf“, sagt Evelyn weiter, „dann halten Sie sich mit solchen Kleinigkeiten am besten gar nicht erst auf.“
„Womit soll ich mich dann beschäftigen?“
Evelyn blickt ihn forschend an. „Sie haben keine Ahnung, stimmt’s?“
Er hat ja schon öfter gehört, dass er von nichts eine Ahnung hat, aber diesmal trifft es erstaunlich gut zu. „Was meinen Sie?“
Sie räuspert sich und reibt sich verlegen am Hals. „Nun ja … Ich habe ziemliche Scheiße gebaut, wissen Sie. Ich … Oh Mann.“ Sie stützt ihre Ellenbogen auf dem Tisch ab und lässt den Kopf in die Hände sinken.
„Was haben Sie gemacht, Miss Williams?“ Tom klingt ziemlich desinteressiert.
Sie hebt ihren Kopf wieder, sieht ihn aber nicht an. „Ich habe mich im Fernsehen total zum Affen gemacht. Ich habe die Jury einer Castingshow beschimpft.“
„Oh“, kann Tom da nur sagen.
„Ja“, sagt Evelyn. „Ich habe die da alle gegen mich aufgebracht.“
„Das sind wohl ziemlich viele, die jetzt wütend auf Sie sind“, vermutet er.
„Das kann man wohl sagen.“
„Darf ich Sie mal was ganz blödes fragen?“
„Nur zu“, meint sie mit einer müden Handbewegung.
Er räuspert sich. „Nun … Wie genau soll ich an die alle rankommen?“
Sie zuckt mit den Schultern. „Das weiß ich auch nicht, Mr. Hunt. Aber ich glaube sowieso, dass Sie diese ganzen Schwachköpfe getrost beiseite lassen können. Die können sich nun wirklich nicht beschweren, wegen meinem Auftritt. Den Sender hat es augenblicklich aus dem Quotentief gerissen und den anderen Jurymitgliedern hat es soweit ich beurteilen kann, bis jetzt auch nicht geschadet. Ignorieren Sie das einfach.“
„Was soll ich denn dann machen, außer ständig etwas zu ignorieren?“
Sie blickt ihn eindringlich an. „Finden Sie diesen Wahnsinnigen.“
Tom schmunzelt. „Schön, dass Sie endlich zur Vernunft gekommen sind.“
„Ich möchte lediglich, dass dieses drückende Gefühl in meinem Magen verschwindet, wenn ich zum Briefkasten gehe. Sonst nichts weiter.“
***
Tom sitzt eine Weile auf den Verandastufen und versucht, Ordnung in das wüste Chaos seiner Gedanken zu bringen. Das Gespräch mit Evelyn hat ihn zutiefst verwirrt. Zum einen kann sie unglaublich nett und aufmerksam sein, aber schon im nächsten Moment teilt sie gnadenlos mit Worten aus, die nur so vor Ironie und Sarkasmus sprühen. Und provozieren kann sie bis zum geht nicht mehr. Überheblich wirkt sie dabei allerdings nicht.
Tom fühlt sich ihr durchaus gewachsen. Er kann nicht nur gut einstecken, sondern auch genauso fantastisch austeilen. Aber er muss zugeben, dass ihm dieser kleine Schlagabtausch durchaus gefallen hat. Er hat schon lange kein solch gutes Gespräch mehr geführt. Und die Aussichten stehen gut, dass es auch in Zukunft mit Evelyn nicht langweilig werden wird.
Verbal
zumindest nicht.
Er beobachtet die in der Wiese herumwühlenden Hühner und wirft ihnen kleine Steinchen vor den Schnabel, als Catherine mit einer alten Pappschachtel herauskommt und diese auf den Tisch stellt.
„Ist Ihnen langweilig?“, fragt sie Tom.
Tom wendet sich ihr zu und lächelt leicht.
Catherine deutet das als ein „Ja“ und setzt sich an den Tisch. „Spielen Sie Schach?“ Sie sieht ihn prüfend an.
Tom schüttelt bedauernd den Kopf. „Leider nein. Ich habe keine Ahnung davon.“
Auf Catherines Gesicht erscheint ein zärtlicher Ausdruck, als sie mit leiser Stimme sagt: „Mein Mann hat Schach geliebt. Wir haben sehr oft miteinander gespielt. Henry hat aber meistens gewonnen.“ Sie zwinkert Tom zu. „Trotzdem bin ich auch eine sehr gute Schachspielerin.“
„Das würde ich niemals bezweifeln.“
„Kommen Sie mal her.“ Sie winkt Tom
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