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Der Kugelfaenger

Der Kugelfaenger

Titel: Der Kugelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Rydell
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sich übergeben. Ihr Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Sie wendet sich ab. „Und jetzt?“, fragt sie leise.
    „Ich brauche eine Kamera. Und Handschuhe. Haben Sie so Dinger aus Gummi?“
    „Klar. Einen Moment.“ Evelyn verschwindet dankbar im Haus.
    Tom senkt seinen Blick wieder auf das Huhn, geht neben ihm in die Hocke und betrachtet es eingehend. Dann richtet er sich wieder auf und starrt in den trüben Garten. Es hat leicht zu nieseln begonnen. Er kann spüren, wie es in seinem Magen kribbelt und ihm ist etwas übel. Er hasst Drohbriefe. Er hat schon erlebt, dass Menschen wegen ihres Berufs, ihrer Ansichten, ihrer Hautfarbe oder Herkunft bedroht wurden. Aber wieso ausgerechnet Evelyn zu diesem ausgewählten Kreis von Bedrohten gehört, ist ihm völlig rätselhaft. Sie sagt selbst, dass sie sich nicht vorstellen kann, warum man sie mit dem Tod bedroht. Und jetzt das.
    Als Evelyn mit einem Paar Gummihandschuhen und einer kleinen Nikon-Digitalkamera zurückkommt, versucht er, ein möglichst unbekümmertes Gesicht aufzusetzen, obwohl sich Evelyn eigentlich recht gut hält. Sie ist nur etwas blass um die Nase.
    Er macht zuerst ein paar Fotos des Ganzen, dann zieht er die Handschuhe über und fasst das Kuvert mit zwei Fingern an einer Ecke an und zieht es dem leblosen Federvieh aus dem Schnabel.
    Sie gehen in die Küche und Tom legt den Brief so vorsichtig wie möglich auf den Tisch, so als wären es die Kronjuwelen. Dann betrachten sie ihn aus einiger Entfernung. Catherine hat sich zu ihnen gesellt.
    „Komisch, aber irgendwie fühle ich mich so hibbelig, wie sonst nur an Weihnachten“, meint Evelyn.
    „Nur Weihnachten ist
schöner
“, sagt Catherine.
    „Wunderbar, wenn jetzt schon Weihnachtsstimmung herrscht“, meint Tom sarkastisch. „Wer möchte das Geschenk aufmachen?“
    Natürlich wollen Evelyn und Catherine den Brief nicht aufmachen. Sie schweigen betreten.
    Er öffnet vorsichtig den Umschlag und zieht behutsam einen sauber zusammengefalteten Bogen Papier heraus. Er entfaltet ihn und erstarrt. Eigentlich hat er fest damit gerechnet, erneut ein Stirb!!! auf dem Zettel zu lesen, aber das hier übertrifft seine Erwartungen vollkommen. Er fühlt sich, als würde sein Blutkreislauf einfrieren.
    „Stimmt was nicht?“, fragt Evelyn, als sie seinen angespannten Gesichtsausdruck bemerkt. „Kann ich das auch sehen?“, sagt sie dann und weist mit dem Kopf auf den Brief.
    Er runzelt zuerst die Stirn und kneift seine Augen etwas zusammenlegt, dann legt er ihn vor ihr auf den Tisch. „Nicht anfassen“, erinnert er sie.
    Sie beugt sich neugierig darüber, doch im selben Moment weicht sie schon wieder zurück und starrt Tom zutiefst entsetzt an.
    Es ist ein ganz normales DINA-4-Papier, blütenweiß und fast nicht verknittert, mit einem fetten Farbfoto darauf: Es zeigt einen grauen Grabstein, auf dem Evelyns Foto, ihr Name und ihr Geburtsdatum zu sehen sind. Der Platz für das Sterbedatum ist noch frei. Und unter dem Bild steht folgender Satz:
    Willst du, dass es dir genauso geht wie deinem Vieh?
     
    Alles eindeutig Photoshop, aber trotzdem gruselig.
    Aus Evelyns Kehle dringt ein seltsames Röcheln.
    „Geht es Ihnen gut?“, fragt Tom argwöhnisch und hofft inständig, sie möge nicht ohnmächtig werden. Er hat nämlich keine Ahnung, was er machen soll, falls sie von ihrem Stuhl kippen sollte. Wahrscheinlich würde er auch umfallen.
    „Geht schon … schon okay. Ich bin grad nur ein bisschen …
geschockt
“, keucht sie und fächelt sich mit einer Hand Luft zu.
    Tom zieht vorsichtshalber das Papier wieder zu sich herüber und runzelt nachdenklich die Stirn, Evelyn wird noch weißer im Gesicht als zuvor und Catherine muss sich erstmal setzen, bevor sie ungläubig den Kopf schütteln kann. „Das ist doch … unglaublich“, sagt sie. Dann wendet sie sich an Evelyn, die noch immer versucht, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Willst du immer noch weg, Liebes?“
    Evelyn nickt hastig. „Ja. Ich halte es hier keine Minute länger aus.“
    Catherine scheint nicht besonders zufrieden zu sein mit der Antwort ihrer Nichte. Trotzdem blickt sie Tom ernst an und fragt ihn: „Ist Evelyn in ernsthafter Gefahr?“
    „Na ja“, meint er unschlüssig. „Ich bin mir nicht so sicher.“
    „Was heißt hier, Sie sind sich nicht sicher?“, bohrt Catherine nach.
    „Sehen Sie’s doch mal so: Wenn es diesem Typen mit den Drohungen wirklich ernst wäre, hätte er doch schon längst zugeschlagen.“ Er

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