Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
zurückkehrten, gab es keine Garantie dafür, dass sie sich an alles aus ihrer Vergangenheit erinnern würde – was nicht unbedingt schlecht sein musste. Bisher hatte sie nur wenige gute Erinnerungen an diesen Ort.
» Wie fühlst du dich, Sorcha?«
Sie trat zur Tür des Saals und blickte hinaus auf das Dorf. » Ich weiß noch nicht, wie ich mich fühle. Dieser Ort hier enthält meine ganze Lebensgeschichte, aber hier gibt es nichts, das mir etwas bedeutet.« Sie öffnete ihr Medaillon und betrachtete das Foto darin. » Ich bin zurückgekommen, weil ich gehofft habe herauszufinden, wer ich bin, aber alles, was ich über meine Vergangenheit erfahren habe, ist scheußlich und leer. Hier gibt es nichts, worauf ich mein Leben aufbauen möchte, keine Familie, keine Freunde. Nichts.«
» Dann fange ganz neu an, Sorcha. Lass mich dir helfen.«
Sie sah ihn an. » Bist du dir sicher?«
» Aber natürlich bin ich mir sicher. Wir machen es gemeinsam. Komm mit zurück nach Portland. Vergiss die Vergangenheit, konzentrier dich auf die Gegenwart und lass die Zukunft einfach auf dich zukommen.«
Sie lächelte und schloss das Medaillon. » Danke.«
Als sie ins Freie traten, sah Fox, wie die Polizisten Maria zu einem der Hubschrauber trugen. Sie lag auf einer Bahre und hielt ihr Baby im Arm. Sorcha starrte sie an, dann ging sie zu ihr.
» Was hast du vor?«, fragte Fox.
» Ich will mir das Baby noch mal genauer ansehen.«
» Warum?« Fox war davon ausgegangen, der intensive und blutige Tod ihres Vaters habe Sorcha in Ohnmacht fallen lassen, aber jetzt wurde ihm klar, dass sie schon weit schlimmere Todesechos erlebt haben musste. Etwas anderes hatte ihr so zugesetzt. » Was ist mit dem Baby?«
» Nichts. Ich will bloß sehen, welche Farbe es hat.«
» Ich hab gedacht, alle Neugeborenen wären Indigos.«
» Sind sie auch, es sein denn …«
Fox dachte daran, was Delaney gesagt hatte. » Es sei denn, sie besitzen eine höhere Aura, so wie du und Kaidan?«
Sie sah ihn an. » Und mein Vater.« Bevor Maria protestieren konnte, hatte Sorcha bereits die Decke zurückgeschlagen, in die das Baby eingewickelt war.
Fox lief ein Schauer über den Rücken. » Welche Farbe hat es?«
» Es hat nichts zu bedeuten«, sagte Sorcha und betrachtete das Neugeborene. » Das weiß ich jetzt.«
» Welche Farbe hat es?«
» Violett. Das Baby ist violett.«
Als rationaler Mensch wusste Fox, dass die seltene Aura des Babys reiner Zufall war. Es war allein eine Frage der Zeit gewesen, bis Delaney einen weiteren violetten Nachkommen zeugen würde, und der Geist des Sehers konnte unmöglich in das kleine Wesen transmigriert sein, das ihn da anstarrte. Als er ihm aber in die blauen Augen schaute und sah, wie violett sie im schwindenden Mondlicht leuchteten, musste er an all die seltsamen Ereignisse im Turm denken, und einen Moment, nur einen kurzen Moment lang war er sich nicht mehr so sicher.
70
Fünf Tage später
Die Bewegungen der braunen Stute unter ihr fühlten sich natürlich und vertraut an, als Sorcha über das smaragdgrüne Gras trabte. Angeblich verlernte man niemals Fahrrad zu fahren. Das Gleiche galt anscheinend auch fürs Reiten. Sie zog leicht am Zügel, und das Pferd lief gehorsam über die Koppel auf das große schindelgedeckte Haus zu, das sich weiß gegen den strahlend blauen Himmel absetzte. Sie schloss die Augen und atmete den Geruch von Pferden, Leder und frisch gemähtem Gras ein. In diesem Moment schien ihr die Indigo-Familie Millionen von Meilen entfernt. Wenn es ein Paradies gab, dann könnte es so aussehen.
» Willst du zurückreiten?«, fragte das Mädchen auf dem Pony neben ihr.
Sorcha sah ihre Cousine an und lächelte. » Wer zuerst am Haus ist, Angela.«
Das Mädchen quietschte entzückt, gab ihrem Pony die Fersen und galoppierte hüpfend über die Koppel. Sorcha folgte ihr. Als sie sich dem Haus näherten, sah sie Nathan und Samantha mit ihrem Onkel Connor auf der Veranda stehen. Es war ein gutes Gefühl, noch eine andere Familie zu haben – eine gute Familie. Als ihr Onkel ihr das Haus gezeigt hatte, waren sie auch in dem Zimmer gewesen, in dem sein Vater – ihr Großvater – gestorben war, und sie hatte die Liebe gespürt, die er für Connor empfunden hatte, und auch seinen Schmerz. Ihr Onkel hatte sie mit offenen Armen empfangen und darauf bestanden, dass sie sein Gestüt von nun an als ihr Zuhause betrachten sollte.
Sorchas Vater hatte ein beträchtliches Vermögen angehäuft, und sobald die
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