Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
einmal in der Mitte und steckte ihn in die Tasche seines Kittels. » Kommen Sie, gehen wir weiter.«
Das zweite Zimmer lag am anderen Ende des Korridors. Er schloss auf und öffnete die Tür. Dann zog er den Umschlag mit der Nummer 222 heraus. » Hinein mit Ihnen.«
Sie atmete tief durch und machte drei Schritte in den Raum. Nichts. Sie schüttelte den Kopf.
Er runzelte die Stirn. » Sie gehen immer in die Mitte – Sie haben sogar Ihr Bett von den Wänden abgerückt, weil Sie sagen, dass Sie sich dann wohler fühlen. Gehen Sie mal auf eine Seite des Raums und fassen Sie mit der Hand an die Mauer. Sie trat langsam zum Fenster und spürte, wie ihre Hand zitterte. Zaghaft berührte sie die Wand, als hätte sie Angst, sich zu verbrennen oder einen Stromschlag zu bekommen. Es fühlte sich ganz normal an. » Lassen Sie die Hand dort«, wies er sie an. Das weiße Rauschen wurde ein wenig eindringlicher, aber ansonsten spürte sie nichts Konkretes oder Zusammenhängendes. » Irgendetwas?«, fragte er.
» Nein. Ein paar leise Untertöne, aber nur schwach. Ehrlich gesagt ist es sogar recht beruhigend. Wenn ich wählen müsste, würde ich sagen, dass dieser Raum friedlicher ist als der andere.« Sein Gesicht blieb ausdruckslos, doch für einen kurzen Moment glaubte sie Erleichterung in seinen Zügen zu lesen. Er hatte vorhergesagt, dass sie hier etwas sehen würde, da war sie ganz sicher. Aber wieso war er erleichtert? Was war so angsteinflößend an seiner Theorie, dass er sie am liebsten widerlegen wollte? » Was hätte ich hier drin sehen sollen?«
Er faltete den noch immer verschlossenen Umschlag in der Mitte zusammen und steckte ihn zu dem anderen in die Kitteltasche. » Wie schon gesagt, ich werde Ihnen alles erklären, wenn wir das Experiment beendet haben. Lassen Sie uns den dritten Raum versuchen.« Mittlerweile konnte sie es kaum erwarten, das Experiment zu beenden, um endlich seine Theorie zu erfahren. Als er die Tür zu Zimmer 302 im zweiten Stock aufschloss, trat sie ein, ohne dass er sie dazu auffordern musste. Mit einer fast beiläufigen Bewegung streckte sie die Hand aus, um die Wand zu berühren, überzeugt, dass sie wieder nichts sehen würde.
Aber dieses Mal war es anders – ganz anders. Sobald sie die Wand berührte, spürte sie etwas. Die Hitze kam nicht nur von dort, sie war überall in der Luft, die sie umgab. Sie konnte den Qualm riechen, den beißenden Geschmack auf der Zunge spüren und das Brennen in ihrer Kehle und in ihren Lungen. » Feuer«, sagte sie. Dann sah sie die Frau, die zusammengekauert in der Ecke hockte, ihr Nachthemd um sich geschlungen, als ob der dünne Baumwollstoff sie vor den Flammen schützen könnte. Das Bild hatte einen flackernden blass violetten Schatten, doch die Frau schien echt. Jane Doe konnte ihre Panik spüren und die Angst in ihren Augen sehen. Sie wollte fliehen, doch Flammen blockierten ihren Weg. Das Feuer quoll aus dem Gang in das Zimmer, seine glühenden Finger krochen über Decke und Wände und griffen nach der Frau, die nun hustend um Hilfe schrie. Jetzt merkte Jane Doe, dass auch sie hustete und schrie, und dann spürte sie, wie zwei starke Arme nach ihr griffen und sie nach hinten zogen, durch die Tür und raus aus dem Zimmer. Sogleich zog das Feuer sich zurück, der blasse flackernde violette Schatten war verschwunden und sie sah Fox, der ihr fest in die Augen schaute. Sein Gesicht, das ihr mittlerweile so vertraut war, beruhigte sie. » Was haben Sie gesehen?«
Sie erzählte ihm von der Frau in den Flammen, und seine Augen weiteten sich. Ihr Bericht schien ihn beinahe ebenso zu erschüttern, wie das Erlebnis selbst sie erschüttert hatte. » Haben Sie das vorhergesehen? Steht das in Ihrem Umschlag?«
Er faltete ihn zusammen und steckte ihn in seinen Kittel. » Noch ein Zimmer, dann werde ich Ihnen alles erklären.« Er schwieg einen Moment. » Schaffen Sie noch eins?«
Sie zitterte noch immer, aber sie konnte sehen, dass Fox irgendetwas auf der Spur war und unbedingt Gewissheit haben musste. » Mir geht es gut.«
Das letzte Zimmer, Nummer 410, befand sich im obersten Stock. Als Fox die Tür aufschloss, spürte Jane Doe, wie der Mut sie verließ, und sie trat eilig hinein, bevor es zu spät war. Das Fenster war geschlossen und es war ein warmer Tag, doch noch bevor sie die Wand überhaupt berührt hatte, begann sie zu zittern und spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten, als würde ein kalter Wind durch das Zimmer wehen. Sie
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