Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
atmete tief durch, streckte den Arm und legte die Handfläche an die Wand.
» Wie geht es Ihnen?«, fragte Fox. » Sie sind sehr blass.« Sie gab keine Antwort, denn ein anderes Geräusch drängte sich plötzlich in ihr Bewusstsein: das Splittern von Glas. Dann schlug ihr jäh eine Welle kalter Luft ins Gesicht und ließ sie zurücktaumeln. » Was ist los, Jane? Sagen Sie mir, was Sie sehen.« Plötzlich war das flackernde blasse Violett wieder da und das Fenster vor ihr veränderte sich – der Rahmen war nicht länger frisch gestrichen, sondern rissig, und weiße Farbe blätterte von den Rändern. Dann erschien rechts von ihr ein Mann. Er war groß und dünn, mit einem Bart. Er hielt einen Stuhl in die Höhe und schlug damit so fest er konnte gegen das Fenster. Das Glas war recht stabil, und er brauchte vier Schläge, um die Scheibe einzuschlagen. Als er über die Schulter blickte, spürte sie die Furcht in seinen Augen. Dann bemerkte sie, dass ein anderer Mann ins Zimmer getreten war – mit einem Messer. Der Mann mit dem Bart ergriff eine der Scherben und hielt sie wie eine Klinge, und sie spürte das Glas, kalt und hart, in ihrer eigenen Handfläche. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie erkannte, dass sie das Geschehen in der dritten Person beobachtete, aber in der ersten Person erlebte, aus der Perspektive des bärtigen Mannes. In diesem Augenblick wusste sie, dass der Mann mit dem Bart sterben würde. Abwehrend hob er den Arm mit der Glasscherbe und trat dabei gleichzeitig rückwärts Richtung Fenster. Da stürmte der andere Mann auf ihn zu und stach ihm einige Male das Messer in den Leib. Mit jedem Stich krümmte Jane Doe sich, als träfe das Messer ihren eigenen Körper.
» Was ist los, Jane? Reden Sie mit mir. Reden Sie mit mir.« Wie aus weiter Ferne drang Fox’ besorgte Stimme zu ihr, doch sie war zu sehr gefangen in diesem Albtraum, um zu antworten. Sie konnte nur hilflos zusehen, wie der tödlich verwundete Mann, in dem verzweifelten Versuch seinem Angreifer zu entfliehen, auf die Fensterbank stieg und hinaussprang. Sie spürte, wie sie fiel, dann war alles schwarz.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie zitternd vor Schock und Kälte in Fox’ Armen, der sie aus dem Zimmer trug. Draußen auf dem Gang wurde ihr allmählich wärmer, doch als sie versuchte aufzustehen, zitterte sie noch immer. » Geht es Ihnen besser?«, fragte er und sah sie mit seinen blauen Augen besorgt an. Auch er zitterte, als spürte er ihre Kälte.
Sie lehnte sich gegen ihn und nickte.
» Was ist da drin passiert?«, fragte er.
Während er ihr zuhörte, schüttelte er immer wieder ungläubig den Kopf. Er war blass und wirkte so müde und erschöpft, wie sie sich fühlte. Als sie geendet hatte, zog er die verschlossenen Umschläge aus der Tasche und starrte darauf. » Hat das Experiment funktioniert?«, fragte sie ihn.
Er runzelte die Stirn und warf einen Blick über die Schulter, als fürchtete er, jemand könnte ihn hören. » Gehen wir zurück in Ihr Zimmer. Dort werde ich Ihnen alles erklären.«
14
Zurück in Jane Does Zimmer, legte Nathan Fox die vier Umschläge in einer Reihe auf den Tisch. Bildete sie es sich nur ein oder zitterten seine Hände noch immer?
» Und? Was steht da drin?«
» Schauen Sie selbst nach. Er zeigte auf den Umschlag mit der Nummer 207. » Öffnen Sie sie der Reihe nach.«
Sie nahm den Umschlag. » Das ist der für das erste Zimmer, richtig? In dem nichts passiert ist.«
» Richtig.«
Sie riss den Umschlag auf. Darin befand sich ein Blatt Papier mit einer einzigen handgeschriebenen Zeile. Sie las laut, was dort stand: » In Zimmer 207 wird Jane Doe nicht halluzinieren.« Sie lächelte. » Sie hatten recht.« Dann griff sie nach dem zweiten Umschlag, Zimmer 222, und las wieder laut vor, was auf dem Blatt Papier geschrieben war: » In Zimmer 222 wird Jane Doe halluzinieren. Sie wird einen Mann sehen, der in einem Bett am Fenster liegt. Er wird friedlich aussehen, als ob er schliefe.« Sie sah ihn an. » Sie haben sich geirrt. Ich habe gar nichts gesehen.«
Er sagte nichts und sah sie mit festem Blick an. Sie öffnete den nächsten Umschlag, zog das Blatt Papier heraus und las die Vorhersage. » In Zimmer 302 wird Jane Doe halluzinieren. Sie wird eine Frau sehen, die in den Flammen verbrennt.« Ihr Mund war staubtrocken. » Woher wussten Sie das?«
Er antwortete nicht, sah sie einfach weiter an. » Öffnen Sie den Letzten.«
Sie nahm den vierten Umschlag und riss ihn
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