Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
wahrscheinlich gar nicht mehr zu sedieren brauchte.« Kostakis zeigte auf das Blatt Papier, das man auf Kovacs’ Stirn geheftet hatte. » Und das hier natürlich.«
Jordache las die Botschaft. Jeder Großbuchstabe war in einer anderen Farbe geschrieben. Die Worte und der Verzicht auf Satzzeichen entsprachen der Botschaft auf der Stirn des ersten Opfers:
DIENE DEM DÄMON
RETTE DEN ENGEL
» Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Opfern?«
» Beide waren Mistkerle mit einer Vergangenheit im Drogengeschäft. Wahrscheinlich haben sie sich früher in denselben Kreisen bewegt, aber ansonsten gibt es keine offensichtliche Verbindung.«
» Was ist mit dem Kleid und der Unterwäsche, die wir bei Vega gefunden haben? Wissen wir, wo der Mörder sie her hat?«
» Die Frauenkleider stammen nicht aus einem normalen Geschäft. Es war Ausschussware, ohne Markenschilder.« Kostakis warf einen Blick in seinen Bericht. » Ist nicht ganz einfach, so was zurückzuverfolgen, aber wir haben eine Spur. Vor zwei Tagen hat eine Verkäuferin in einem Second-Hand-Laden an der Grenze von Old Town und Pearl ein Kleid und Dessous verkauft, die mit denen der Opfer übereinstimmen. Sie erinnert sich noch an den Kunden, weil sonst meist nur Frauen in ihren Laden kommen. Er wollte die größte Größe und wusste sehr genau, welche Farbe und welche Art von Kleid und Dessous er suchte, so als kaufte er die Sachen aus einem bestimmten Grund. Sie sagt, sie hat sein Gesicht nicht gut sehen können, weil er einen breitkrempigen Hut getragen hat, aber er sei groß und massig gewesen und hätte so unheimliche blasse Augen gehabt. Außerdem hätte er komisch gerochen.«
» Schick einen unserer Zeichner in den Laden, damit wir ein Bild von dem Kerl kriegen. Wie sagte sie, hat er gerochen?«
» Seltsam. Tot, wie verwesendes Fleisch.« Kostakis zeigte auf das verdeckte Gesicht des Opfers. » Was ist damit?«
Jordache zog die Brauen zusammen. » Weiß ich noch nicht. Erstmal will ich wissen, was wir über diesen Kerl mit dem Hut und dem Geruchsproblem rausfinden können.«
Zweiter Teil
Das letzte Echo
16
Einige Hundert Meilen vom Stadtgebiet Portlands entfernt erhob sich ein Sturm. Von den Rocky Mountains aus folgte er dem mächtigen Columbia River, raste über den Staat Washington und zu einem entlegenen Flecken Land in der Wildnis von Oregon. Der Sturm fegte durch tiefe Schluchten und dichte Wälder, bevor er eine einsam gelegene Ansammlung von Holz- und Steinhütten erreichte, die sich in fruchtbare grasbewachsene Hügel zwischen einem Wald aus gigantischen Mammutbäumen und einem reißenden Fluss schmiegte.
Dieses einsame Paradies bildete das einzige Anzeichen menschlichen Lebens im Umkreis vieler Meilen. Die Koppel war so groß, dass die Pferde darin wild und frei zu leben schienen. Aber es waren keine wilden Pferde. Es waren weder die Mischlinge noch die mattfarbenen Kiger Mustangs, von denen es in der Region so viele gab, sondern die reinste Rasse von allen: Englische Vollblüter. Die nervösen Tiere schüttelten ihre Mähnen, schnaubten den Mond an und galoppierten im Kreis, verunsichert durch den aufkommenden Sturm und die drei erschöpften Reiter, die jetzt auf die Koppel ritten. Vielleicht spürten sie den Zorn des Anführers. Der Sturm, der in seinen Gedanken tobte, hätte es mit jeder Naturgewalt am Nachthimmel aufgenommen. Sein dichtes silbergraues Haar wirbelte ebenso heftig im Wind wie die Mähnen der Pferde, und seine tiefgründigen grünen Augen schienen in der Dunkelheit zu glühen. Er war nicht mehr jung, aber mit seiner hochgewachsenen sehnigen und muskulösen Statur wirkte er deutlich jünger. Seine Anhänger nannten ihn den Seher, aber in dieser Nacht fühlte er sich blind. Mit zwei seiner treusten Wächter hatte er tagelang die vielen Tausend Hektar seines Landes durchkämmt, und doch hatten sie nicht gefunden, wonach er suchte. Nichts als einen vagen Hinweis, wohin das Objekt seiner Suche verschwunden sein könnte. Er stieg aus dem Sattel, klopfte der erschöpften Stute auf die nasse Flanke, löste die Satteltasche und warf sie sich über die Schulter. Ohne sich noch einmal umzudrehen, überließ er es seinen Begleitern, sich um sein müdes Pferd zu kümmern. Seine Muskeln schmerzten, doch als er zwischen den aufgeregt umhergaloppierenden Pferden hindurchlief, spürte er, wie ihre wilde Energie ihn durchströmte. Ein Hengst bäumte sich vor ihm auf. Mit seinen starken Händen griff er in die Mähne des Tieres,
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