Der Kunstreiter
nachdem ich erfahren, daß du ein Kind – eine Tochter hast, fühle ich, daß das nicht mehr geschehen kann. Georginen kannst und darfst du nicht mit deiner Tochter allein zurücklassen; sie würden ohne dich rettungslos zugrunde gehen, und dem zu begegnen, gibt es noch ein anderes Mittel. Wir haben schon vor längeren Jahren das Gut Schildheim im Mecklenburgischen, das du ja selber kennst und welches früher einer alten Großtante gehörte, geerbt. Es ist jetzt der Mutter Eigentum, ich aber habe die Administration darüber und bis jetzt einen Pächter darauf gehabt. Dieser tritt nun in nächster Zeit die Hinterlassenschaft seines gerade verstorbenen Vaters an und übernimmt damit dessen in Preußen gelegenes Besitztum. Dort nun, in Schildheim, rückst du indessen vorläufig ein.«
»Als Pächter? ich verstehe nichts von der Ökonomie,« sagte Georg finster.
»Es ist das keine so schwierige Kunst zu erlernen,« erwiderte aber der Bruder, »und du behältst den Verwalter, der bis jetzt auf dem Gute war, bei dir. Da er sich mit dem vorigen Pächter nicht gut vertragen konnte, wird er nicht mit ihm gehen und hat mich schon gebeten, bei dem nächsten ein gut Wort für ihn einzulegen, daß er bleiben könne. Es ist ein schon bejahrter, aber sehr tüchtiger, nur etwas eigener, pedantischer Mann, dessen Kenntnisse du benutzen, dich auch sicher bald mit ihm befreunden und von ihm lernen wirst. Fühlst du dann, daß dich das Leben freut, fühlst du, daß du bei uns dich heimisch machen kannst, dann, Georg, darfst du getrosten Mutes der Mutter wieder ins Auge schauen, dann finden sich auch Mittel und Wege, dir wieder, wenn auch nicht gleich in deiner früheren Heimat selber, eine selbständige, unabhängige Stellung zu gründen, dann bist du wieder der unsere, Bruder Georg, und gibst dafür mehr, als wir dir je im Leben bieten können, du gibst unserer Mutter mit dem Sohne ihr Glück, ihren Frieden wieder.«
»Wolf, mein treuer, wackerer Wolf,« rief Georg, indem er mit tränenden Augen gerührt des Bruders Hand ergriff, »habe ich das um dich – um euch alle auch verdient?«»Und du willigst ein?« rief Wolf rasch und erfreut.
»Für mich von Herzen gern,« sagte Georg, in die dargebotene Hand des Bruders schlagend, »Gott mag dir die brüderliche Liebe lohnen, ich selber kann es nie, aber – Georgine! Wird sie sich an das stille Leben gewöhnen, wird sie sich heimisch fühlen können auf dem einsamen Landsitz, fern von dem Geräusche der Stadt, das ihr noch nicht einmal genügt, nach dem aufregenden Leben ihres bisherigen Berufes? Ich fürchte, Wolf, daß mir da schwere Kämpfe bevorstehen.«
»Du glaubst, daß sie dich liebt?«
»Sie liebt mich als den besten und kühnsten Reiter, den sie kennt.«
»Und ihr Kind?«
»Ihr liebster Gedanke war von je – eine zweite Georgine aus ihr zu ziehen. Was ihren Vater anlangt, so glaube ich, daß dieser einem solchen neuen Leben weniger Schwierigkeiten in den Weg legen würde. Er ist in den letzten Jahren recht alt und dabei entsetzlich mürrisch geworden, scheint auch an dem wüsten Treiben und der Schattenseite unseres Berufes, dem Hanswurst, dem wir des Publikums wegen aber doch nicht entsagen können, kein besonderes Vergnügen mehr zu finden. Wenn er nur imstande sein wird, sich an eine geregelte Tätigkeit zu gewöhnen!«
»Er wird es gewiß, wenn er nur sieht, daß eure Zukunft sich dadurch auch sichert. Was um Gottes willen würde aus euch, wenn ein unglücklicher Sturz den einen oder den andern zum Krüppel machte? und seid ihr diesem Schicksal nicht jede Stunde ausgesetzt?«
»Denkt der Soldat an Wunden oder Tod, wenn er dem Feinde gegenübersteht?«
»Aber der Soldat hat noch ein höheres Ziel als seinen Sold – er hat die Ehre, für die er kämpft, sein Vaterland, was er verteidigt.«
»O, wäre ich Soldat geworden!« seufzte Georg.
»Das ist zu spät,« erwiderte Wolf, »aber auch im bürgerlichen Leben kannst du noch deinen Platz ehrenhaft ausfüllen, kannst dich zu dem Range wieder hinaufarbeiten, der dir nach Geburt und Recht gehört; und ist das nicht ein schönes Ziel, dem entgegen zu streben? Denk an unsere Mutter dabei – denke, wie unsagbar glücklich sie sich fühlen würde, wenn ich imstande wäre, den verloren geglaubten Sohn wieder in ihre Arme zu führen! Du bist ohne den Segender Mutter vom Hause geschieden, kannst du ein schöneres Ziel vor Äugen haben, als einen solchen dir zu verdienen?«
Georg warf sich an des Bruders Brust, und lange
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